Kosmische Strukturen

Kosmische Strukturen

Like This Video 0 Susanne
Added by 18. Mai 2018

Science-Talk: Wie sich das sichtbare und das unsichtbare Universum entwickelte

Das Schwerpunkt-Thema dieses Monats: Quasare und Monster-Löcher aus der Frühzeit des Universums. Zum Einstieg ein aktualisiertes Video aus unserem Archiv, in dem der Kosmologe Hans Böhringer vom MPI für extraterrestrische Physik grundlegende Informationen darüber gibt, wie sich die großräumigen Strukturen im Kosmos über die Milliarden Jahre entwickelt haben, darunter auch die Dunkle Energie. Sie macht nach Meinung der Astrophysiker immerhin rund achtzig Prozent der Materie im Universum aus, ist bis heute aber aufgrund fehlender Nachweismethoden ein großes Thema wissenschaftlicher Debatten. Ein Streitpunkt dabei: Ist Dunkle Materie kalt, warm oder gar heiß? Mehr dazu hier!

  
Sprechertext der Sendung:
 
Seit Jahrtausenden folgen Menschen dem Lauf der Sterne auf ihrem Weg über das nächtliche Firmament. Dank künstlicher Augen blicken wir immer tiefer in das All – und dabei auch weiter in die kosmische Vergangenheit. Immer bessere photosensitive Sensoren erschließen und bisher unbekannte Lichtquellen; sie zeigen ein ganz anderes Bild des Universums – im langwelligen infraroten Bereich oder mit der hochenergetischen, kurzwelligen Röntgen- und Gammastrahlung. Gleichzeitig versuchen Kosmologen, die zugrunde liegenden physikalischen Vorgänge zu verstehen und mit Simulationen die Entwicklungsgeschichte des Universums abzubilden. Der erweiterte Blick in den Kosmos offenbart wunderbare Welten.

Unser blauer Planet: Teil des Sonnensystems in unserer Milchstraße – gänzlich unbedeutend irgendwo weit draußen in einem ihrer Spiralarme gelegen.Unsere Heimat: die Lokale Gruppe – wie der kosmische Nahbereich des Universums von Astronomen genannt wird. Unsere Milchstraße, in einer Hülle von zahlreichen Zwerggalaxien. Dann die beiden seit alters her bekannten Magellanschen Wolken – und der Andromedanebel, die uns nächst gelegene große Galaxie. Die lokale Gruppe (Einblendung: Durchmesser < 10 Lichtjahre) ist Teil des Lokalen Superhaufens mit dem Virgo Galaxienhaufen im Zentrum. Der lokale Superhaufen wurde von einem Forschungsteam vor kurzem „Laniakea“ getauft. Er erstreckt sich etwa 500 Millionen Lichtjahre in den Raum. In ihm befinden sich in einer dicht gepackten, aber nicht gleichmäßig verteilten Struktur rund 100.000 Galaxien, jede mindestens so groß wie unsere eigene Milchstraße. Die Struktur der Materie des Universums entstand nach dem Urknall aus einem Plasma, einer Art Ursuppe aus Quarks und Gluonen. Quantenfluktuationen hatten darin gravitative Instabilitäten erzeugt; daraus entstanden die heute beobachtbaren kosmischen Strukturen. Die Materieansammlungen wie Sterne und Galaxien sind darin über Filamente miteinander verbunden. Sie verändern sich durch die entgegen gesetzten Kräfte von Gravitation und Expansion. Der kolossale Strukturierungsprozess ist noch in vollem Gang – und führt immer wieder zu kosmischen Katastrophen. Ganze Galaxien können verschmelzen. Sogar die größten Strukturen, die übergeordneten Galaxienhaufen, können kollabieren.   Talk mit Prof. Dr. Hans Böhringer, Kosmologe, Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik
 
Ein internationales Forscherteam, geführt vom Astronomischen Institut der Universität Hawaii, hat unsere nähere Umgebung genau kartographiert und für 8.000 der zu unserem lokalen Superhaufen gehörenden Himmelsobjekte die alles überlagernde Expansion heraus gerechnet. So entstand eine dreidimensionale Karte des lokalen Universums in hoher Auflösung. Erstmals sehen wir in dieser Visualisierung nicht nur ein statisches Bild unserer großräumigen Himmelsregion mit der Lokalen Gruppe, dem Fornax und dem Virgo-Superhaufen, sondern auch deren Dynamik: wie sich die Galaxien des lokalen Universums allein aufgrund der Gravitationskräfte bewegen. Die blauen Pfeile zeigen die Kräfte, die sich auf uns zu bewegen, in rot jene, die sich von uns weg bewegen. Die verschiedenen Schnitte durch die lokale Gruppe zeigen regionale Unterschiede der Gravitationskräfte. Diese sind durch die beobachtbare Masse allein nicht zu erklären.
 
Talk mit Prof. Dr. Hans Böhringer, Kosmologe, Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik
 
Die Simulation der Laniakea-Gruppe zeigt auch: Das lokale Universion hat ein gewaltiges Gravitationszentrum. Es liegt im sogenannten Großen Attraktor. Er muss nach heutiger Kenntnis 10 Billiarden Sonnenmassen enthalten und ist etwa 200 Millionen Lichtjahre von uns entfernt. Das ist im kosmischen Maßstab nicht so weit, doch liegt dieses massereiche lokale Gravitationszentrum in der Ebene unserer Milchstraße – auf der uns entgegen gesetzten Seite. Daher ist seine Beobachtung schwierig.
 
Talk mit Prof. Dr. Hans Böhringer, Kosmologe, Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik
 
Ein spezielles Problem der Kosmologen ist die Erklärung einer offensichtlichen Diskrepanz heutiger Modelle: Simulationen führen im Universum zur Entstehung von wesentlich mehr kleinen und leuchtschwachen Zwerggalaxien als wir heute tatsächlich beobachten. Die Fachwelt spricht vom Phänomen der „missing satellites“. Zwei gegensätzliche Erklärungsversuche werden heute diskutiert. Die erste Erklärung: Zwerggalaxien bewegen sich nach neuester Annahme mit hoher Geschwindigkeit durch den Raum. Durchqueren sie Materiekonzentrationen – beispielsweise am Rande einer Galaxis – verlieren sie immer wieder Materie. Die großen Galaxien – so vermuten Astrophysiker heute – könnten also kannibalische Himmelsstrukturen sein. Sie wachsen stetig heran, weil sie sich die Materie dieser Zwerggalaxien einverleiben. Die ihrer Materie beraubten Relikte einer großen Zahl von entstandenen Zwerggalaxien sind dann so lichtschwach, dass sie durch das Beobachtungsraster fallen. Es gibt aber auch eine zweite, ganz anders gelagerte Erklärung für die „missing satellites“. Astrophysiker des CLUES-Projektes haben sie in einem alternativen Berechnungsmodell gefunden. Es rüttelt an den Grundfesten dessen, was wir Dunkle Materie nennen. Heute gehen die meisten Astrophysiker davon aus, dass Dunkle Materie „kalt“ ist – deren Teilchen sind also wie das Neutrino masselos. Was aber, wenn die Dunkle Materie gar nicht kalt, sondern „warm“ ist. Die Teilchen besitzen dann eine Energie von einigen Elektronen-Volt. Als die Astrophysiker im Clues-Projekt ihre Simulationen mit „warmer“ Dunkler Materie rechneten, gab es ein interessantes Ergebnis: Unter dieser Annahme bilden sich im kosmischen Netz deutlich weniger Zwerggalaxien heraus. Auch der Vergleich der mit warmer Dunkler Materie entstandenen Struktur zeigte befriedigende Übereinstimmung mit der heute bekannten Materieverteilung in der Lokalen Gruppe. Ist die Dunkle Materie im Universum also warm und gar nicht kalt?
 
Talk mit Prof. Dr. Hans Böhringer, Kosmologe, Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik
 
Sogar heiße Dunkle Materie könnte existieren, darauf jedenfalls hat die Gruppe von Böhringer bei den Himmelsdurchmusterungen Hinweise gefunden. Böhringer glaubt, dass es scih dabei um die geheimnisvollen Neutrinos handeln könnte, Teilchen, die den Kosmos durchfluten und bisher für masselos gehalten wurden. Noch bleibt das aber eine Vermutung, für die Wissenschaftler noch nach wissenschaftlichen Beweisen suchen.
 
Talk mit Prof. Dr. Hans Böhringer, Kosmologe, Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik
  
Erstsendung: Mai 2018
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