Kosmische Trümmer

Kosmische Trümmer

Like This Video 0 Susanne
Added by 22. Februar 2019

Asteroiden, Relikte aus der Frühzeit des Sonnensystems, geraten ins Visier der Weltraumforscher

 

Um unsere Sonne kreisen Milliarden von Trümmern aus der Entstehungszeit unseres Planetensystems. Sie besiedeln den Raum zwischen Mars und Jupiter, aber auch hinter Neptun haben sich Zonen von solchen „antiken“ Trümmerteilen der gebildet, auch Herkunftsort vieler Kometen. Mehrere Missionen besuchen inzwischen diese etliche Milliarden Jahre alten Miniwelten, Überbleibsel aus der Zeit, in der unsere Planeten gerade erst entstanden.

 
 
Sprechertext der Sendung:
 Das Sonnensystem ist von einer extrem hohen, für uns immer noch unbekannten Zahl kleiner Objekte besiedelt. Lange waren Sie aufgrund ihrer Größe und Entfernung für uns gar nicht zu beobachten. Ausnahme bilden nur der seltenen Fälle, in denen sie als Kometen mit leuchtendem Schweif über den Himmel ziehen (Einblendung: 6000 bekannte Kometen) oder wenn Bruchstücke eines Asteroiden als Meteorite auf der Erde einschlagen.

Solche Asteroiden stammen vorwiegend aus der Region zwischen Mars und Jupiter. Bis heute zeigen diese Trümmer unterschiedliche Bahngeschwindigkeiten. (Einblendung: 700.000 bekannte Objekte, 4 Prozent der Masse des Mondes, Durchmesser < 1000 km). Die Astro-Sonde Gaia hat vor kurzem neben vielen anderen Aufgaben eine hochpräzise Bahnvermessung von rund 15.000 Objekten dieses Asteroidengürtels vorgenommen. Entstanden ist der Asteroidengürtel bereits in den Anfängen des Sonnensystems vor etwa 4,5 Milliarden Jahren. Damals hatte sich die Materie einer Molekülwolke durch die Kräfte der Gravitation und ihres Drehimpulses zu einer rotierenden Scheibe aus Gas und Staub abgeflacht. In deren massereichem Zentrum begann ein Stern zu leuchten: unsere Sonne. In dieser frühen Phase haben sich Materieklumpen gebildet, die zuerst in einem chaotischen Treiben umherflogen und dabei auch oft kollidierten. Dennoch haben sich in der rotierenden Scheibe durch die Wirkung unterschiedlicher Kräfte Schwerkraftzentren herausbilden können. Die Gase in der Scheibe wurden durch die enorme Schwerkraft der großen äußeren Planeten gebunden. Es bildeten sich hier um die Kerne schnell mächtige Gashüllen – die Planeten Jupiter, Saturn, Uranus und Neptun. Etwas später sind auch im inneren Bereich die Gesteinsplaneten Merkur, Venus, Erde und Mars entstanden. Nur die Materie zwischen dem besonders massereichen Jupiter und dem Mars konnte sich durch das Wechselspiel der unterschiedlichen Gravitationskräfte nicht zu einem größeren Planeten entwickeln, der dann Die Materie seiner Umgebung aufgesaugt hätte. Bis heute zeigt uns die Region des Asteroidengürtels deshalb die Relikte aus dieser Urzeitepoche, Trümmerteile, die schon seit rund vier Milliarden Jahren durch das Sonnensystem reisen. Das größte Objekt im Asteroidengürtel ist Pallas mit einem Durchmesser von 545 km. Für Planetenforscher sind die kleinen Himmelsobjekte ausgesprochen faszinierend:

Dr. James B. Garvin, Chief Scientist, NASA Goddard Space Flight Center
(Übersetzung) Diese primitiven Trümmer sind die letzten gebliebenen Überreste aus dieser frühen Zeit der Bildung unseres Sonnensystems, als Planeten entstanden sind und sich deren Atmosphären mit dem Klima herausgebildet haben. Damals konnte das ganze herumfliegende Material dieser Zone noch Planeten erreichen, beispielsweise die Erde oder den Mars. Wenn wir also solche Objekte untersuchen, erfahren wir etwas über die großen Fragen, die uns beschäftigen: Wo kommen wir her, wie kann Leben auf solchen frühen Planeten entstehen?

Die NASA hat mit der Raumsonde Dawn erstmals zwei Himmelskörper des Asteroidengürtels besucht und sie uns aus nächster Nähe gezeigt (Start Dawn 2007, Ende der Mission Nov 2018), Dawn flog zu den beiden massereichsten Objekten im Asteroidengürtel: Ceres und Vesta. Die Sonde hat Ende 2018 den aktiven Dienst quittiert, doch die Kameras und Spektrometer an Bord haben eine Vielzahl von Messdaten dieser Objekte gesammelt. (Einblendung: Ceres Äquatordurchmesser von 963, Vesta 516 km). Sensationell für Astrophysiker war die Entdeckung eines großen, einsamen Berges auf Ceres, der vermutlich erst vor rund einer Million Jahre entstanden ist. Und noch eine Besonderheit zeichnet ihn aus: Ahuna Mons (Einblendung: Ahuna Mons – Höhe 4.000 km) ist kein Einschlagkrater, sondern ein Vulkan.

Prof. Dr. Lucy McFadden, Planetologin, Planetary System Lab, NASA Goddard Center
(Übersetzung) Auf Ceres sind die Temperaturen so niedrig, dass es dort keine Vulkan-Aktivitäten wie auf der Erde geben kann. Das Magma dieses Vulkans muss deshalb vor allem aus salzhaltigem Wasser bestanden haben. Sobald es an die Oberfläche trat, ist es bei den niedrigen Temperaturen schnell gefroren und hat dann beim zähen, gefrierenden Abfließen die steilen Wände gebildet. Es muss damals also etwas unter der Oberfläche von Ceres gegeben haben, das das Material bis zum Schmelzpunkt erhitzt und durch die Risse nach oben gedrückt hat. Wir wissen heute nicht, wodurch dieser Ausbruch ausgelöst wurde. Am wahrscheinlichsten sind angereicherte radioaktive Elemente. Aber was uns dabei wirklich überrascht: All das ist erst vor relativ kurzer Zeit entstanden. In den mehr als 4,5 Mrd. Jahren seit der Bildung von Ceres hätte eigentlich das meiste radioaktive Material zerfallen und Ceres ein kalter Himmelsköper sein müssen. Aber offensichtlich war das nicht der Fall. Ceres ist ein aktiver Protoplanet, der erst kürzlich aktiv war.

Hier die jüngste, noch laufende Mission zu den Asteroiden: die NASA-Sonde Osiris Rex. Sie ist inzwischen schon bei dem 1999 entdeckten und wirklich winzigen Asteroiden Bennu angekommen. (Einblendung: 1999 RQ36 – Bennu, mittlerer Durchmesser: 492 m) Mit 500 Metern im Durchmesser ist er eines der kleinsten bisher entdeckten Objekte im Asteroidengürtel, dennoch kann er für uns gefährlich werden. Simulationen seiner Bahn prognostizieren, dass er im nächsten Jahrhundert der Erde nahe kommt. Sogar ein Zusammenstoß mit ihm ist nicht auszuschließen. Osiris Rex wird den Asteroiden aber nicht nur beobachten. Die Sonde wird einen Lander abwerfen. Dieser soll mit einem ausgefahrenen Fuß die Oberfläche von Bennu ganz leicht berühren und dabei etwa 2 kg Material aufnehmen. Wenn alles nach Plan verläuft, wird Osiris Rex diese Bodenproben dann bis Mitte des Jahrzehnts zur Erde zurück bringen.

Dr. James B. Garvin, Chief Scientist, NASA Goddard Space Flight Center
(Übersetzung) Diese Mission wird uns Aufschluss darüber geben, wie die Bausteine für die chemische Zusammensetzung von Asteroiden auf die Erde, aber auch auf andere Planeten gekommen sind. Und wie sie als eine Art Katalysator die Entstehung von Leben oder Vorformen von Leben mit beeinflusst haben. Osiris Rex ist daher wie drei Missionen in einer – und alles das kostengünstig, für nicht viel mehr als die Kosten eines Blockbuster-Films.

Bei der Entstehung des Sonnensystems hat sich aber nicht nur der Asteroiden-Gürtel gebildet. Jenseits der Bahnen der gigantischen Gasplaneten entstand noch eine zweite Zone mit solchen Überresten aus der Zeit, als das Planetensystem entstand: der Kuiper-Gürtel. Seine Objekte enthalten einen größeren Eisanteil als die Asteroiden. Nach neuerer Schätzung könnten sich hier bis zu einer Milliarde Objekte aus der Frühzeit des Sonnensystems gesammelt haben.
Heute werden die Objekte dieser Region als Transneptunische Objekte, TNO, bezeichnet (Sonde NASA New Horizons). Diese Objekte sind gewissermaßen das Wasserreservoir des Sonnensystems. Auch Plutos Bahn liegt in diesem Materie-Gürtel. 2006 hat er übrigens den Status des neunten Planeten im Sonnensystem verloren. Er ist jetzt zwar das größte Objekt dieser sogenannten Zwergplaneten im Kuiper-Gürtel, aber inzwischen sind hier auch andere Kleinkörper mit vergleichbaren Ausmaßen gefunden worden. Eine planetare Sonderstellung wollen Astronomen Pluto daher heute nicht mehr geben. Der Kuiper-Gürtel ist Herkunftsort vieler heute bekannter Kometen.

Dr. Michelle Thaller, Astrophysikerin, NASA Goddard Flight Center
(Übersetzung) Seit Jahrtausenden haben Kometen die Menschheit fasziniert, Sterne mit einem Schweif. Aber in Wirklichkeit sind sie kleine Klumpen aus Staub und Eis, nur einige Kilometer im Durchmesser groß. Wenn sie sich auf ihrer Bahn der Sonne nähern, verdampft ein Teil der Atmosphäre und bildet eine Gashülle. Das erstaunliche ist, dass diese Objekte älter sind als die Planeten in unserem Sonnensystem. Als sich die Planeten erst zu bilden begannen, kollidierten Materiebrocken, etliche von ihnen wurden dabei weit hinaus geschleudert und einige kommen nun auf weiten Bahnen immer wieder ins Sonnensystem zurück.

Ein für Marsforscher besonders faszinierender Komet trägt den Namen Siding Spring (Einblendung: C/2013 A1 – Siding Spring). Im Oktober 2014 kam er dem roten Planeten bis auf 140.000 Kilometer bedenklich nahe, fast ein Drittel so nahe wie die Entfernung von Erde und Mond. Das muss auf der Oberfläche des Mars ein spektakuläres Himmelsschauspiel gewesen sein, was diese künstlerische Darstellung illustriert. Solche Vorgänge haben sich in der Frühzeit des Sonnensystems sehr häufig ereignet. Einige hundert Millionen Jahre nach der Entstehung der Sonne trudelten zahlreiche solcher Querschläger aus dem Kuiper- und dem Asteroidengürtel durch das System. Oft kam es auch zu Katastrophen mit den jungen Planeten und ihren Trabanten. Eine Vielzahl der auf dem Mond bis heute noch sichtbaren Einschlagkrater stammt aus dieser Periode. Auch die Erde muss also in dieser Zeit von zahlreichen Einschlägen erschüttert worden sein, auch wenn wir die Krater heute nicht mehr sehen. Solche Zusammenstöße waren aber nicht nur Katastrophen, sie führten den Planeten auch Material aus anderen Zonen des Sonnensystems zu.

Dr. Fred Goesmann, Astrophysiker und Kometenforscher, MPI für Sonnenforschung
(Übersetzung) Es geht um die Kohlenstoff-Chemie der Erde, also darum, wie viel davon haben Kometen hierher gebracht. Haben sie nur den richtigen Baukasten organischer Verbindungen hierher gebracht oder war da mehr Information darin, als sie hier ankamen?

Es gibt sogar die Vermutung, dass mit diesen einschlagenden Kometen aus den äußeren Teilen des Sonnensystems auch das Wasser auf die Erde kam. Beobachtungen des Kometenjägers Rosetta zeigten allerdings, dass der Großteil des Wassers auf der Erde wohl nicht von Kometen dieses Typs stammt. (Einblendungen: Rosetta-Mission – 2004 Start der Sonde – 2008 Vorbeiflug am Asteriodengürtel – 2014 Landung auf dem Kometen – Missionsende) Trotzdem hatten solche Kometen großen Einfluss auf die Entwicklungsgeschichte der Erde.

Prof. Dr. Kathrin Altwegg, Astrophysikerin, Universität Bern

Die insgesamt erfolgreiche Rosetta-Mission zum Kometen 67P hat doch einen Wehrmutstropfen. (Einblendung: Komet 67P – Churyumov-Gerasimenko – Entdeckung 1969 – Durchmesser ca. 4 km – Masse 1013 kg – Umlaufzeit 6,44 Jahre – 1/100.000 der irdischen Gravitation – kurzperiodische Bahn) Die publicityträchtige erste Landung auf einem fast schwerelosen Kometen mit einer abgesetzten Sonde gelang nicht wie vorgesehen. Die Landung von Philae ist misslungen, weil die Harpunen, die sich im Eis verankern sollten, und nicht gezündet haben und so die Sonde erst über den Kometen schwebte, ehe sie endgültig zur Ruhe kam. Trotzdem hat Rosetta mit ihren unterschiedlichen Bordinstrumenten bis 2015 zahlreiche Forschungsdaten gesammelt, die Wissenschaftler bis heute beschäftigen. Erst im Sommer 2018 fand auf Rhodos eine große Konferenz statt, auf der sich Planetenforscher aus der ganzen Welt trafen, um sich über den derzeitigen Wissensstand der aus Rosetta gewonnenen Daten auszutauschen. Während der Mission wurden allein mit der Kamera über 70.000 Bilder aufgenommen, hinzu kommen die Messdaten zahlreicher Sensoren.

Dr. Matt Taylor, Rosetta Project Scientist, ESA
(Übersetzung) Das wichtigste, was wir feststellen können, ist: Obwohl die Mission seit September 2016 beendet ist, geht die wissenschaftliche Arbeit noch lange weiter. Das wichtigste dabei ist, dass wir Messergebnisse zusammenführen und versuchen zu herauszufinden, was uns das für neue Erkenntnisse bringen. Wir werden das noch für Jahre machen.

Noch viel weiter draußen als der Kuiper-Gürtel – am äußersten Rand des Sonnensystems – umkreist die Oortsche Wolke das planetare System. Niemand hat sie bisher tatsächlich beobachten können, doch die Bahnformen mancher Kometen der Entstehungsgeschichte des Sonnensystems zeigen, dass es eine solche Zone geben muss. Sie besteht aus einer gewaltigen Blase von Billionen kleiner Eis-Trabanten (Einblendung: Oortsche Wolke bis zu 1013 Objekte). Auch Kometen reisen von dort mit extrem langer Umlaufbahn um die Sonne. Der Komet Siding Spring kam aus der Oortschen Wolke auf einer lang gezogenen Bahn zu uns. Er baucht mehrere hunderttausende Jahre, bis er auf seiner Bahn die Sonne einmal umkreist. Auch der Asteroid PANSTARRS3 ist wohl nach einer Kollision aus seiner Bahn geschleudert und dann in der Oortschen Wolke eingefangen worden. Nach einer langen Odyssee von vier Milliarden Jahren, die dieses Video nachzustellen versucht, ist der urzeitliche Asteroid jetzt wieder in heimischeren Gefilden des Sonnensystems angekommen. Nach Bahnsimulationen wird er die Sonne künftig in einigen hunderttausend Jahren wie ein Komet umkreisen.

Alle diese zahllosen kleinen Himmelsobjekte aus unterschiedlichen mit Materie gefüllten Gürteln stammen, soweit wir heute wissen, aus unserem eigenen Sonnensystem. Doch es gibt einen Solitär: Es handelt sich um diesen 2017 im hawaiianischen Haleakea-Observatorium entdeckten, sonderbar geformten Materiebrocken. Genannt wurde er von seinen Entdeckern Oumuamua, was auf Hawaiisch so viel wie Kundschafter heißt. Auch vom Very Large Telescope der Europäischen Südsternwarte in Chile konnte das ungewöhnlich geformte Objekt (Länge ca. 200 m) beobachtet werden. Die nächste Annäherung an die Erde betrug nur 24 Millionen Kilometer, was etwa 60mal so weit entfernt ist wie die Strecke zwischen Erde und Mond. Astronomen vermuten aufgrund seiner Flugbahn, dass es sich um einen Kometen handelt, der aus einem fremden Planetensystem zu uns gereist ist. Seine minimalen, aber noch messbaren Geschwindigkeitsveränderungen deuten Astronomen mit dem Ausgasen von Materie bei der Annäherung an unsere Sonne. Doch dieses Ausgasen ist nur so schwach, dass es für unsere Instrumente in dieser Entfernung nicht festgestellt werden konnte. Die Geschwindigkeitsschwankungen dieses interstellaren Nomaden lassen eine genaue Berechnung des Ursprungs bisher nicht zu. Woher aus den Weiten des Universums also der erste fremde Besucher tatsächlich zu uns gekommen ist, bleibt vorläufig offen.

  
Erstsendung: Februar 2019
© 2019 mce mediacomeurope GmbH
© Vorschaubild: ESA

  
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