Bewegte Bilder
Jens Frahms Entwicklung eines MRT-Verfahrens für Bewegtbilder aus dem Körperinneren
Dank einer neuen Technologie können die Bilder von Magnetresonanz-Tomographen jetzt auch in Bewegung gezeigt werden. Entwickelt wurde sie vom Biophysiker Jens Frahm, der dafür 2018 den Erfinderpreis des Europäischen Patentamtes in der Sektion Forschung erhielt. Susanne Päch berichtet in dieser Studiosendung über die Funktionsweise heutiger MRTs und stellt die technologische Innovation sowie ihre künftigen Einsatzgebiete vor, die nicht nur die Diagnose verändern, sondern sogar bis in den Operationssal reichen wird.
Sprechertext der Sendung:
Der Blick in die bewegten Vorgänge im Körper. Erst seit kurzem ist es möglich geworden, dem Menschen beim Sprechen zuzuschauen, ihn singen zu sehen oder gar beim Hornblasen zu beobachten. Möglich wurde all das durch eine neue Technologie für Magnetresonanz-Tomographen, entwickelt vom Biophysiker Jens Frahm.
2018 hat Jens Frahm für seine Entwicklung den Erfinderpreis des Europäischen Patentamtes erhalten. Der Medizin eröffnet sich damit eine ganz neue Welt der bewegten Bilder unseres Organismus, die erhebliche medizinische Relevanz haben. Denn erstmals ist es beispielsweise möglich, das schlagende Herz bei Rhythmusstörungen direkt zu beobachten. Um mit den Worten des geehrten Erfinders zu sprechen:
O-Ton Prof. Dr. Jens Frahm, Max-Planck-Institut für biophysikalische Chemie
Wir schreiben das Jahr 1977: die allererste MRT an einem Menschen. Anders als die Computer-Tomographie arbeitet die MRT nicht mit Röntgenstrahlen, sondern mit Radiowellen. Es dauerte jedoch fast fünf Stunden, bis mit diesem Verfahren ein einziges statisches Schnittbild aus dem Körper erzeugt war. Für die medizinische Praxis war es daher noch gänzlich ungeeignet. Doch damals wurde der Grundstein einer ganz neuen Untersuchungs-Methode gelegt.
Die klinische Erprobung der MRT begann Anfang der achtziger Jahre. Jedes einzelne Schnittbild dauerte immer noch mehrere Minuten. Schon damals hat Jens Frahm die beginnende Kommerzialisierung der Technologie wesentlich beeinflusst: dank seiner ursprünglichen Entwicklung, der sogenannten Flash-Technologie (Einblendung: FLASH = Fast Low Angle Shot). Sie brachte den Faktor 100 bei der Aufnahme-Geschwindigkeit. Die einzelnen Aufnahmen konnten nun im Sekunden-Takt erfolgen. Heute werden weltweit jedes Jahr mit fast vierzigtausend Geräten mehr als hundert Millionen MRT-Untersuchungen durchgeführt – drei Aufnahmen in jeder Sekunde. Nach Aussage des Europäischen Patentamtes kommt das patentierte Frahmsche FLASH-Verfahren bei allen diesen Scans zum Einsatz.
Und jetzt werfen wir einen Blick in die grundlegende Funktionsweise der Magnetresonanz-Tomographie, die auch als Kernspin-Tomographie bezeichnet wird. Dieser Begriff gibt Aufschluss darüber, dass sie mit den Vorgängen in Atomkernen zu tun hat. Sie nutzt zudem aus, dass Wasser und damit auch Wasserstoffatome im Organismus allgegenwärtig sind, in allen Organen, Geweben, sogar im Körperfett. Um Bilder aus dem MRT herstellen zu können, müssen die Kerne der Wasserstoffatome zuerst in einen „messbaren“ Zustand gebracht werden. Dafür werden die Spins der Atomkerne magnetisch ausgerichtet. Es entsteht eine sogenannte „Kernmagnetisierung“, die von der MRT genutzt wird. Die mehrere Tonnen schwere Röhre eines MRT besteht deshalb zuerst einmal aus einem gewaltigen supraleitenden Magneten (Einblendung: 1.5 oder 3.0 Tesla = 30.000-fache bzw. 60.000-fache Stärke des Erdmagnetfeldes, handelsüblicher Hufeisenmagnet 0,1 Tesla), der fast auf den Nullpunkt abgekühlt werden muss. Er erzeugt ein statisches magnetisches Feld, in dem der Patient während der Messungen liegt.
Der Kernspin-Tomograph sendet nun wiederkehrende, kurze elektromagnetische Impulse in wechselnden Magnetfeldern, die mit den magnetisierten Kernspins vielfach interagieren. Das dabei entstehende Signalgemisch – die „Kern-Resonanz“ aus den Wasserstoffatomen – ist die Grundlage für die dann folgende komplexe Auswertung der Daten. Doch hoch aufgelöste Bilder wie diese sind erst dann möglich, wenn die Messungen 128- bis 256-fach wiederholt worden sind, jeweils in räumlich anderen Ausrichtungen. Die MRT nimmt die Daten also gewissermaßen aus unterschiedlichen „Perspektiven“ auf.
Beim MRT waren früher nicht nur die zahlreich erforderlichen Messungen als solche das Problem. Zeitraubend war auch die Tatsache, dass zwischen jeder einzelnen Messung Wartezeiten von typisch ein bis zwei Sekunden eingehalten werden mussten, um die Kernspins der Wasserstoffatome erneut zu magnetisieren. Hier setzte übrigens die erste FLASH-Technologie von Frahm an: Mit ihr gelang es erstmals, die Wartezeiten auf praktisch Null zu reduzieren. Diese Hochfrequenz-Spulen hier sind für den Patienten ein weiteres wichtiges Element: Sie werden in jenen Körperregionen aufgesetzt, die untersucht werden sollen. Das kann der Brustkorb, das Gehirn oder das Knie sein. Sobald der Patient in die Röhre geschoben ist und die Aufnahme beginnt, werden diese Spulen dann die „Antwort“ der Wasserstoffatome auf die Hochfrequenz-Impulse messen. Eine wesentliche Komponente jedes MRT ist schließlich das angeschlossene Rechnersystem mit seinen Bildverarbeitungs-Algorithmen. Erst mit ihnen entstehen dann die aussagekräftigen Bilder aus dem Körperinneren – bis hin zu solchen Ganzkörper-Aufnahmen. Bis dato waren die Bilder aus dem MRT statisch. Doch 2010 haben Frahm und seine Mitarbeiter eine Weiterentwicklung von FLASH vorgestellt: Ziel war es dieses Mal, dynamische Abläufe aus dem Inneren des Körpers zu zeigen. Der Trick für filmische Abläufe im Radiolicht besteht dieses Mal darin, die Anzahl der vielen Einzelmessungen für ein MRT-Bild dadurch deutlich zu senken, dass bei der Bildberechnung die Ähnlichkeit aufeinanderfolgender Bilder einer Serie ausgenutzt wird.
O-Ton Prof. Dr. Jens Frahm, Max-Planck-Institut für biophysikalische Chemie
Eine Angelegenheit, die nun bei Echtzeit-MRT mit neuesten mathematischen Verfahren der Bildverarbeitung möglich wurde. Solche Algorithmen hat Frahm mit seinem Team nun in die FLASH-Technologie zusätzlich integriert. Sie bringt die Erzeugung der einzelnen Schnittbilder auf mindestens 40 bis 10 Millisekunden herunter. Damit sind nun filmische Auflösungen machbar geworden.
O-Ton Prof. Dr. Jens Frahm, Max-Planck-Institut für biophysikalische Chemie
Mit dieser Bild-Rekonstruktion lassen sich MRT-Filme mit 30 bis 50 Bildern pro Sekunde errechnen. Die Software hat also den Weg für Live-Bilder aus dem Körper möglich gemacht. Der Radiologe kann am Rechner, wie bei dieser Aufnahme des Gehirns, in Echtzeit und interaktiv durch das Körperinnere wandern und dabei die Orientierung der Schnittbilder beliebig verdrehen.
O-Ton Prof. Dr. Jens Frahm, Max-Planck-Institut für biophysikalische Chemie
Es ist keinesfalls eine gewagte Prognose: Die Bewegtbilder aus dem Inneren des Körpers werden ganz neue Erkenntnisse über die Funktionsweise des gesunden Organismus, aber auch über Erkrankungen und Fehlfunktionen bringen. Die nicht-invasive Diagnose wird sich erheblich verbessern, und sogar Eingriffe in den Körper werden künftig mit der schonenden MRT möglich werden. Trotz aller Vorteile: Bis Flash 2.0 auf breiter Front Eingang in die Praxis findet, ist es noch ein weiter Weg, und das, obwohl dafür noch nicht einmal ein neues MRT-Gerät erforderlich ist. Mit der geeigneten Software und einem zusätzlichen schnellen Grafikkarten-Rechner können heutige Geräte für die neue Welt „in motion“ hochgerüstet werden. Doch es wird noch dauern, bis all das auf breiter Front in den radiologischen Instituten Einzug halten wird. Denn es geht dabei auch um Prozesse des medizinischen Alltags. Natürlich sind viele Mediziner von der neu gewonnenen Dynamik aus dem Körperinneren begeistert – einerseits, aber andererseits gibt es auch Hürden des Ungewohnten zu überwinden. Denn die neue MRT-Methode verlangt von Radiologen einen Paradigmenwechsel, das jedenfalls sagt ihr Erfinder.
O-Ton Prof. Dr. Jens Frahm, Max-Planck-Institut für biophysikalische Chemie
Mit dem Europäischen Erfinderpreis in der Hand, fühlt sich Frahm jetzt nicht nur bestätigt, sondern hofft auch auf mehr Markt-Dynamik – beim Weg seiner virtuellen Bilder aus dem Körperinneren in die reale Welt der Arztpraxis!
Erstsendung: September 2018
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