Rechnen mit QuBits

Rechnen mit QuBits

Like This Video 0 Susanne
Added by 3. Juni 2018


 

Besuch bei Rainer Blatt, einem Pionier der experimentellen Quantenverschränkung

Rainer Blatt ist ein Pionier der Quantentechnologien. 2004 gelang ihm erstmals die Verschränkung und Manipulation von Teilchen in einer Ionenfalle. Susanne Päch hat ihn in seinen Innsbrucker Forschungs-Laboren besucht, wo er einen faszinierenden Einblick in die Beherrschung der Phänomene der Quantenwelt gibt; noch vor wenigen Jahrzehnten hielten Forscher Manipulationen in der Quantenwelt für unmöglich. Inzwischen bekommen sie die Macher immer besser in den Griff – auf dem Weg zum Quantencomputer.

  
Sprechertext der Sendung:
 

Innsbruck – ein Hotspot der internationalen Quantenforschung. Hier ist auch die Wirkungsstätte von Rainer Blatt. Das Endziel seiner Aktivitäten hat er fest im Blick.

O-Ton Prof. Dr.Rainer Blatt, experimenteller Quantenphysiker

Heute kann Blatt in zahlreichen Versuchsanlagen nicht nur mit Quantenzuständen experimentieren, sondern die Teilchen dabei immer auch wirklich sehen – als Livestream aus der Quantenwelt. Aber „sehen“ ist für den Physiker natürlich mehr als das sichtbare Abbild eines Phänomens.

O-Ton Prof. Dr.Rainer Blatt, experimenteller Quantenphysiker

Hochpräzise Spiegel und Laser sind für den Quantenphysiker die grundlegenden Werkzeuge. Die Teilchen müssen dafür zuerst einmal zum völligen „Stillstand“ gebracht werden.

O-Ton Prof. Dr.Rainer Blatt, experimenteller Quantenphysiker

Die Labors sind vollgestopft mit Experimenten, an denen rund 35 Doktoranden und Jung-Wissenschaftler ganz unterschiedlichen Fragestellungen nachgehen. Hier geht es zum Beispiel um die Entwicklung von Technologien für den Bau künftiger Quantenuhren.

O-Ton Prof. Dr.Rainer Blatt, experimenteller Quantenphysiker

Andere Teammitglieder befassen sich damit, eine Schnittstelle zu entwerfen, um später einmal Quanteninformationen wie jetzt noch digitale Bits über Netze weitläufig optisch übertragen zu können. Die Experimentatoren lernen dabei immer besser, aus unserer Welt heraus die so fremdartigen Quantenzustände zu beherrschen. Für Blatt geht’s dabei ausschließlich ums wie!

O-Ton Prof. Dr.Rainer Blatt, experimenteller Quantenphysiker

Die Wissenschaft hat sich seit dem 20. Jahrhundert von dem Gedanken verabschiedet, die beobachtbare Wirklichkeit als eine vom Menschen unabhängige, als absolute Größe zu betrachten. Der große Physiker Nils Bohr sagt das so: „Es ist falsch zu denken, es wäre Aufgabe der Physik herauszufinden, wie die Natur beschaffen ist. Aufgabe ist vielmehr, herauszufinden, was wir über die Natur sagen können.“

Die erste experimentelle Grundlage, einzelne Atome in einem Vakuum zu erforschen, schuf Wolfgang Paul in den fünfziger Jahren. Die Basistechnologie moderner Quantenkontrolle à la Blatt ist die Ionenfalle, die auch Paul-Falle genannt wird. Sie ermöglichte es erstmals, ein einzelnes Teilchen, ein geladenes Ion dank elektromagnetischer Kräfte wie in einem Käfig gefangen zu halten.

Dem Nobelpreisträger David Wineland gelang es in den achtziger Jahren, darin ein Ion quantenphysikalisch zu messen – und damit aus der realen Welt in die bis dahin für experimentell nicht erschließbare Quantenwelt einzugreifen. Diese Falle ist auch die Grundlage für Blatt. Sein Ziel: mehr als ein Ion darin festzuhalten. Der wissenschaftliche Hintergrund: Kann man mehrere Teilchen isolieren, dann lassen sie sich quantenphysikalisch miteinander „verschränken“.

Die Verschränkung war ein seit den dreißiger Jahren des vorigen Jahrhunderts theoretisch zwar bekanntes, aber lange Zeit experimentell wenig beachtetes Phänomen – einfach deshalb, weil man es materiell für nicht beherrschbar hielt. Die Theorie sagte aber: Selbst wenn sich Teilchen in sehr großer Entfernung zueinander befinden: Veränderungen an einem Teilchen wirken sich unmitellbar auf sämtliche anderen damit verschränkten Partner aus – also scheinbar instantan. Albert Einstein, der Entdecker der Lichtgeschwindigkeit, sprach deshalb noch abfällig von der „spooky action at a distance“, von der spukhaften Fernwirkung. Der Fachmann nennt das Phänomen heute Quantenteleportation. Es bleibt auf die Quantenwelt beschränkt – sollten wir sagen: jedenfalls vorläufig?

O-Ton Prof. Dr.Rainer Blatt, experimenteller Quantenphysiker

Irgendwie schade! Also: Für Blatt war die Quanten-Verschränkung so gar nicht mystisch, sondern ein ziemlich reales Problem. Das wollte er lösen. Sieben Jahre Tüfteln und Probieren hat’s gekostet. 2004 gelang ihm der Bau einer ersten funktionsfähigen Ionenfalle für atomare Verschränkung. Drei nur wenige Mikrometer voneinander entfernte Ionen ließen sich darin verschränken und mehr noch: sie in diesem Zustand mittels Lasern auch gezielt zu manipulieren.

O-Ton Prof. Dr.Rainer Blatt, experimenteller Quantenphysiker

Inzwischen ist die Beherrschung der Quanten-Verschränkung in den Innsbrucker Labors schon so etwas wie state of the art geworden. Trotzdem gibt es noch viel zu erforschen.

O-Ton Prof. Dr.Rainer Blatt, experimenteller Quantenphysiker

Bis zu fünfzig einzelne Atome, wie auf einer Perlenkette aufgereiht, können die Innsbrucker heute in einer Falle gemeinsam manipulieren. Tatsächlich verschränken kann die Blatt-Truppe jedoch nur etwa zwanzig davon. Das ist aber, so fügt Blatt gleich beteuernd hinzu, ausschließlich ein technisches Bauproblem. Für die Wissenschaft also reine Nebensache.

O-Ton Prof. Dr.Rainer Blatt, experimenteller Quantenphysiker

Mit solchen Versuchsanordnungen steht der Wissenschaft ein Quantensimulator zur Verfügung. Mit ihm lassen sich in Zukunft viele wissenschaftliche Fragestellungen simulieren: nicht mehr virtuell in einem Digitalrechner, sondern ganz real: im Quantenlabor.

O-Ton Prof. Dr.Rainer Blatt, experimenteller Quantenphysiker

Beim rechnenden Quantencomputer werden die Teilchen in der Falle zu QuBits, zur kleinsten Informationseinheit. Doch der Quanten-Abakus ist sehr fragil. Jeder Rechenvorgang bringt einen Eingriff der Außenwelt in die so schwierig aufrecht zu erhaltende Isolation, die „Kohärenz“ genannt wird. Die Konsequenz: Die Verschränkung der Ionen löst sich immer mehr auf, die Teilchen „dekohärieren“.

O-Ton Prof. Dr.Rainer Blatt, experimenteller Quantenphysiker

Wie schnell sich die Beherrschung der Quantenwelt entwickelt hat, kann Blatt aus eigenem Erleben berichten.

O-Ton Prof. Dr.Rainer Blatt, experimenteller Quantenphysiker

Auch Quantenrechner erfordern also laufend eine automatische Überprüfung: Tun sie tatsächlich das, was ihnen aufgetragen wurde. Für dieses permanent störende Eingreifen ins System braucht es ganz spezielles Know How. Selbst für ausgewiesene Quanteningenieure liegen solche Protokolle der Theoretiker manchmal am Rande dessen, was nachvollziehbar ist.

O-Ton Prof. Dr.Rainer Blatt, experimenteller Quantenphysiker

Da ist dann also selbst einer wie Blatt an der Grenze seiner heutigen Möglichkeiten angekommen. Doch das, da bin ich am Ende meines Besuchs sicher, wird nicht so bleiben. Mit seinem Team wird der Herr der Quanten auch dafür bald geeignete Technologien entwickeln.
 
 
Erstsendung: Juni 2018
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