Der Schuss zum Mond
Googles Lunar X-Prize und die Kommerzialisierung des planetaren Raums
Der zweite Preis der X-Prize Foundation wird von Google finanziert und hat einen Flug zum Mond zum Ziel. Sechzehn Teams aus der ganzen Welt haben sich dafür beworben, darunter auch ein von Audi geführtes Team, die PT Scientists. Bis Ende 2017 müssen sie in privater Mission einen Rover zum Mond schießen, der von dort HD-Videos zur Erde überträgt und mindestens fünfhundert Meter gefahren sein muss.
Sprechertext der Sendung:
Die Mission ExoMars der Europäischen Raumfahrtbehörde – die Old School der Weltraumfahrt.
Missionen dieser Art werden bald der Vergangenheit angehören. Nicht mehr Behörden, sondern Unternehmen rüsten sich für den Wettbewerb auf fremden Planeten.
Erstes Ziel: Der Mond. Er ist jetzt zum Testfeld von Unternehmen geworden, die Kommerzialisierung des Weltraums zu erproben. In dem von der NASA ausgeschriebenen Projekt „Lunar Catalyst“ wurden 2016 für den Bau eines Landers drei private Unternehmen in die engere Wahl genommen.
All das begann schon vor zehn Jahren: Und wieder mal saß Google im Driver Seat der Entwicklung. Zwei der jetzt von der NASA nominierten Firmen haben mit dem Lunar X-Prize von Google ihren Anfang genommen.
2007 hat der Riese des Silicon Valley den Peis ausgeschrieben. Preisgeld: satte 30 Millionen DS-Dollar. Was bis dato ausschließlich Weltraumbehörden möglich war, soll durch den Ideenreichtum kreativer Köpfe und mit privatem Kapital machbar sein. Phase 2 der Raumfahrt, die Kommerzialisierung des planetaren Raums.
O-Ton Bob Richards (Übersetzung)
Ökonomisch betrachtet ist der Mond der achte Kontinent der Erde.
2005 habe ich meine eigene Reise dorthin begonnen. Ich möchte herausfinden, wie wir den Mond zu einem Teil unserer ökonomischen Welt machen und sie so vergrößern können: jetzt reicht die kommerzielle Einflusssphäre bis zur geostationären Umlaufbahn von Satelliten, in der heute schon jedes Jahr ein Geschäft von mehreren Milliarden Dollar gemacht wird – ich möchte sie um eine Dimension vergrößern, auf 380.000 Kilometer Entfernung bis zum Mond.
2007 hat mein guter Freund Peter Diamandis den zweiten X-Prize der Stiftung ausgelobt, den Google finanziert, gleich nächste Tür. Das war für mich ein Incentive. Ich habe hier in Silicon Valley einen unglaublichen Appetit auf das vorgefunden, was man hier „Mondschuss“ nennt. Da habe ich gesagt: aha, ich habe einen Mondschuss. Das war der Beginn meiner Love Affair mit Silicon Valley. Ich bin hierher gezogen, habe hier mein Startkapital gewonnen und meine Mitgründer gefunden, Barney Pell und Naveen Jain. So ist Moon Express entstanden – fünf Jahre nach dem Beginn meiner persönlichen Geschichte.
Mit dem „Moon Shot“ hat Google die Menschheit aufgerufen, eine zu neunzig Prozent privat finanzierte Mondmission zu realisieren. Die Aufgaben, die bis Ende 2017 zu erfüllen sind:
– einen Rover erfolgreich auf dem Erdtrabanten landen,
– der dort mindestens 500 Meter zurücklegen und
– dabei hochaufgelöste Bilder und Videos zur Erde senden muss.
Privatiers und Unternehmen konnten sich beteiligen, ein Expertenteam von Google analysiert und prämiert die beteiligten Projekte im Lauf der zehnjährigen Entwicklung mit sogenannten Milestones und erheblichen Mitteln.
Die Aufnahme-Hürde von 10.000 € sollte vor allem sicherstellen, dass die sich beteiligenden Teams bei allem zwingend erforderlichen Enthusiasmus einen gewissen Grad an Ernsthaftigkeit und Professionalität mit bringen.
William Red Whittaker ist so ein kreativer Kopf mit ausgeprägtem Macher-Instinkt, der all das in sich trägt, was einen solchen Erneuerer auszeichnen muss.
O-TOn William Whittacker (Übersetzung)
Ich bin 67 Jahre alt, ich bin Professor, Unternehmer und Farmer.
Neben seiner wissenschaftlichen Laufbahn war der Forscher für die NASA und für Unternehmen wie Caterpillar oder General Motors in Sachen Automotive tätig. Der Princeton-Absolvent, der bis heute als Universitäts-Professor für Robotik arbeitet, hat 2007 die Firma Astrobotic gegründet, speziell für den Lunar X-Prize.
Denn will man eine Chance haben, 30 Millionen Dollar an Preisgeld zu gewinnen, dann ist es mit dem Startgeld und guten Konzepten längst nicht getan. Man muss schon richtig investieren. Ein erfolgreiches Team braucht umfangreiches Insiderwissen und Entwicklungsgelder oder sonstiges Sponsoring für die erforderlichen Technologien. So stehen hinter den aussichtsreichsten Kandidaten eben immer auch Unternehmen.
Whittacker ist ein Entrepreneur der alten Schule, der weiß, worauf es ankommt. Auf dem World Economic Forum 2015 sagte er:
O-Ton William Whittaker auf dem WEF (Übersetzung)
Am Anfang von Entwicklungen muss man nicht sonderlich gut sein, sondern nur der erste!
Der industrielle Wettbewerb in Schwerelosigkeit hat aber nicht erst mit dem X-Prize begonnen, sondern mit der Privatisierung von Trägerraketen.
O-Ton Red Whittaker auf dem WEF (Übersetzung)
Früher wurde der Versorgungs-Nachschub auf die Internationale Raumstation noch von der NASA organisiert, jetzt machen das private Firmen. Das wird auch mit dem Mond passieren. Wenn du nicht die Werkzeuge entwickelst, kannst du nicht im Geschäft bleiben.
Für den Robotik-Pionier, der die Entwicklung der autonomen Technologien, aber auch der Weltraumfahrt viele Jahrzehnte mit gestaltete, ist der Lunar X-Prize wie auf den Leib geschnitten.
Ein Kontrapunkt zu Whittaker ist der Youngster Robert Böhme, der Gründer des deutschen Projektes der Part Time Scientists. Im wirklichen Leben ist der Informatiker IT-Berater und sagt über sein Mondengagement in dem von Google produzierten Teamvideo:
O-Ton Robert Böhme (Übersetzung)
Ich bin für jede Art von Mondmission völlig unqualifiziert. Aber das hält mich überhaupt davon ab, es trotzdem zu tun.
Der erste Schritt war, das Team zusammen zu bringen – fünf Jahre lang als Teilzeit-Aktivität.
O-Ton Robert Böhme (Übersetzung)
Die ersten fünf Jahre haben wir das Projekt wirklich in Teilzeit gemacht. So ne Art Batman-Stil. Eine Identität am Tage und eine andere in der Nacht als Part Time Scientist, wo wir Mondrover gebaut haben.
Und wenn sie schon mal mit einem autonomen Fahrzeug auf dem Mond sind, dann wollen sie gleich noch etwas Sinnvolles tun – nicht nur irgendwelche Bilder zur Erde funken, sondern solche, die uns auch technologisch weiter helfen könnten.
O-Ton Robert Böhme (Übersetzung)
Wir wollen den Landeplatz des Mon-Rovers besuchen. Der hat viel Zeug an Bord, das absolut nicht für den Weltraumeinsatz gedacht war. Es hat Klebstoffe, Klaviersaiten, Lederbänder – all das Zeug ist jetzt seit mehr als vierzig Jahren auf dem Mond, ungeschützt dem Weltraum ausgesetzt. Wir können die Überreste darauf untersuchen, welche Werkstoffe sich im Weltraum gut erhalten, welche nicht.
Heute gehören bereits 35 Mitarbeiter zum Team, vorwiegend aus Universitätsinstituten in Deutschland und Österreich. Mit dem Engagement des früheren NASA-Mitarbeiters Jack Crenshaw gelang ein besonderer Coup. Er ist Programmierer, hat schon im Apolloprogramm mitgearbeitet, gilt als der Crack für Flugbahnberechnungen schlechthin.
Die Part Time Scientists, die inzwischen als GmbH firmieren, haben ihren Mondrover anfangs Asimov genannt – heute heißt er „Audi Lunar Quattro“. Das erklärt, wo frisches Geld und auch etliches Know How für die Entwicklung herkommt. Zehn hoch spezialisierte Experten aus unterschiedlichen Abteilungen stellt die Nobelmarke für das Projekt bereit – für Themen wie den Leichtbau, für den Allradantrieb, für die Leistungsregelung und die Batterie sowie für das so wichtige Qualitätsmanagement. Denn der Schuss zum Mond muss beim ersten Mal sitzen. Wie viel das Engagement den Verantwortlichen der vier Ringe wert ist, wollen sie öffentlich nicht sagen; aber klar ist, dass es Audi kaum um 30 Millionen Dollar Preisgeld geht, sondern um Marketing im spacigen Stil. Das hat längst begonnen – und ein Scheitern des Projekts wäre ziemlich schlecht fürs Image. So ist Audi auch erst 2015 öffentlich in das Projekt eingestiegen – wenige Monate, nachdem den PT Scientists für besonders herausragende Entwicklungen zwei Milestone- zugeflossen sind. Das brachte dem Team immerhin 750.000 US-Dollar und Audi gewisse Sicherheit für den Erfolg.
Böhme sagt zwar:
O-Ton Robert Böhme (Übersetzung)
Wir setzen auf das KISS-Prinzip – keap it simple and stupid.
Aber so recht glauben will man’s nicht. Für eine Marke, die mit „Vorsprung durch Technik“ wirbt, wäre das doch eher untypisch. Und faktisch ist die Aussage auch reichlich tief gestapelt. Das Gefährt mag „schlicht“ erscheinen, aber es ist keineswegs dumm, sondern in dreißig Kilogramm voll gepackte autonome Fahrzeugelektronik.
Der Flug zum Mond soll beim Team der PT Scientists mit einer kommerziellen Trägerrakete gelingen. Die Transportkosten sind gewaltig. Wie Astrobotic bieten daher auch die Deutschen das Konzept der Mitfluggelegenheit. Nutzlasten von Dritten können im Lander untergebracht werden, angeboten in drei Preiskategorien.
Alles wird mitgenommen, sofern die technischen Vorgaben erfüllt sind: von DNA-Proben über physikalische Forschungs-Messgeräte bis zu Fotoshooting-Equipment für Marketiers.
Bob Richards ist Mitgründer des Teams „Moon Express“. Er hatte die Idee für einen richtigen planetaren Geschäftsplan schon drei Jahre vor der Veröffentlichung des Google-Preise entwickelt. Auch er hat Investoren gesucht – und mit dem aus Indien stammenden Milliardär Naveen Jain gefunden. Hinzu kam der Weltraum-Entrepreneur Barnex Pell. Naveen Jain ist Multimillionär aus der Zeit der US-Internet-Blase, bezeichnet sich selbst als Philantropen, der die Welt mit Innovation verbessern will, und sitzt nebenbei auch im Board des X-Prize.
„Moon Express“ will also Geschichte schreiben. Manche halten die Firma jedoch für eine glatte Luftnummer.
Immerhin: Das Unternehmen hat 2016 von der amerikanischen Behörde Federal Aviation Administration erstmals überhaupt eine Genehmigung für eine ausschließlich kommerziell orientierte Weltraum-Mission erhalten. Denn das Ziel des Unternehmens reicht weit über den X-Prize oder den NASA-Auftrag für das Projekt Lunar Catalyst hinaus: es will den Mond nicht nur transporttechnisch erreichen. Es geht darum, fremde Himmelskörper gewinnträchtig zu kommerzialisieren.
O-Ton Bob Richards auf der Konferenz des SETI Kolloquiums (Übersetzung)
Es gibt dort viele Rohstoffe und Energieressourcen, die wir nutzen können. Wir haben zudem von der NASA gesichertes Wissen über große Mengen an Wasser auf dem Mond. Wasser ist für mich so etwas wie das Öl des Sonnensystems. Es ist der Schlüssel, der uns praktisch für alles die Tür öffnet. Nicht nur, weil es dort Leben ermöglicht, sondern auch, weil es aus den Bestandteilen von Raketentreibstoff besteht. Die Trennung von Wasser in Wasserstoff und Sauerstoff bildet nicht nur die Werthaltigkeit des Mondes, sie öffnet auch das Gateway zum Sonnensystem. Wir haben dort eine Treibstoffstation und müssen nicht den gesamten Treibstoff mitnehmen, wenn wir zum Mond wollen, dort Ressourcen erschließen und uns als Spezies ausbreiten. Danke – Wasser auf dem Mond! Willkommen beim Mondrennen!
Wie all das zum Outer Space Treaty passt, das in Zeiten des Kalten Krieges von den Vereinten Nationen ratifiziert wurde? In Artikel 1 ist festgelegt, dass der Mond wie der Weltraum der ganzen Menschheit gehört. Privateigentum gibt es dort nicht – trotzdem Abbau der Privatwirtschaft? Die FAA hat über diesen Konflikt nicht nur viele Jahre nachgedacht, sondern auch zähe internationale Konsultationen hinter sich. Aber findige Juristen sind zuletzt nie um eine Antwort verlegen, wenn es um die kreative Exegese von Vertragsparagraphen geht.
Erstsendung: August 2016
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