KI im Beschleunigungsmodus

KI im Beschleunigungsmodus

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Added by 8. November 2018


 

Deep-Learning-Algorithmen und der Durchbruch der Künstlichen Intelligenz

 

Auf der internationalen GPU-Fachkonferenz von Nvidia trafen sich 2018 im herbstlichen München 3.500 KI-Experten und solche, die es werden wollen. Künstliche Intelligenz – das Thema ist längst nicht nur ein Hype bei den Insidern. Was macht den Zauber der Künstlichen Intelligenz aus und was verbirgt sich hinter Begriffen wie Machine Learning, neuronalen Netzen und Deep Learning? Wofür sind solche Systeme heute in der Wirtschaft schon im Einsatz und was können sie leisten? Viele Fragen, denen Susanne Päch in ihrer Reportage über die Veranstaltung nachzugehen versucht.

 
 
Sprechertext der Sendung:
 
Künstliche Intelligenz, kurz KI oder englisch: AI genannt (Einblendung: Artificial Intelligence) – keine Woche vergeht, ohne dass sich Experten und die, die es werden wollen, in einer Konferenz zum Gedankenaustausch treffen. Die Idee der Künstlichen Intelligenz ist nicht neu. Sie reicht bis zum Aufkommen der Digitaltechnik in die Mitte der fünfziger Jahre zurück. Lange wurde KI belächelt, jetzt aber beginnt die Dämmerung einer neuen Epoche massiv ins öffentliche Blickfeld zu rücken.

KI – das ist zuerst einmal Geschwindigkeit. Wohin man sieht: “acceleration“ – der Begriff der Branche! Probleme schneller und damit natürlich auch besser zu lösen – das ist es, wofür KI heute steht. Das „Grundgesetz der IT“ gilt auch für die KI: Schneller wird sie, indem Algorithmen in Hardware wandern und so massenhaft produziert werden können – Preissturz eingeschlossen. Aber was eigentlich ist KI? Zuerst einmal das: KI ist nicht gleich KI. Die Welt ist konfrontiert mit einem Wirrwarr bisher unbekannter Begriffe: Machine Learning, Deep Learning und neuronale Netze – Schlagworte, die auch hier auf dieser internationalen Fachkonferenz die Debatte beherrschen. Die 3.500 Experten hier wissen natürlich ganz genau, was sie bedeuten. Machine Learning – ältester Teil der KI – bezeichnet Algorithmen, die große, beliebige Datenmengen als Input bekommen, diese miteinander verknüpfen und gewichten. Häufige Verknüpfungen erhalten hohes Gewicht und umgekehrt. Mit diesen Gewichtungen und Algorithmen für die Handlungsanweisung, wie mit diesen Daten umzugehen ist, arbeitet Machine-Learning – in der Welt von Big Data schon weit verbreitet. Seine Anwendungen reichen von der Medizin bis zur Fabrik im 4.0-Modus. Denn solche Systeme werden auch die Qualitätsprüfung in der industriellen Fertigung künftig weitgehend übernehmen. Dort können sie Fehler von Produkten oder Prozessen schneller erkennen als der Mensch.

O-Ton Dr. Timo Stich, Corporate Research and Technology, Carl Zeiss AG

Die Software des Machine Learning ist Teil der klassischen deterministischen Programmierung. Auch die komplexeste Software mit der Verarbeitung größter Datenmengen kommt bei Wiederholungen immer zum gleichen Ergebnis. Das ändert sich mit dem neuen Ansatz neuronaler Netze, dessen architektonische Grundlage zwar immer noch digital arbeitende Chips sind, deren Struktur aber nicht mehr abstrakt „rechnet“, sondern in zahlreichen vernetzten Ebenen mühevoll „lernt“. Sie ist vom menschlichen Denken inspiriert. Wie im Gehirn werden die Inputdaten in neuronalen Netzen verarbeitet, in gewerteten Datensätzen abgespeichert und im Netz nach Wichtigkeit hierarchisch geordnet. Noch ist die Struktur der besten neuronalen Netze weit von der Komplexität des menschlichen Gehirns entfernt. Sie sind heute eher mit dem einer Maus zu vergleichen. Die für neuronale Netze erforderliche Programmierung nennt man Deep Learning, eine Methode, die wie in lebenden Organismen den Determinismus der algorithmischen Operationen hinter sich lässt. Der Programmierer kann die Ergebnisse des trainierten neuronalen Netzes nicht mehr präzise vorherzusagen – vielleicht die weitreichendste Veränderung des Deep Learning: Der Mensch übergibt einen Teil der Verantwortung für die konkrete Problemlösung in das von ihm geschaffene System. Ein neuronales Netz erfasst seine Welt mit Sensoren wie sie heute schon in der Industrie-Robotik zum Einsatz kommen. Mit solchen Sensoren als Inputdaten erkennen auch neuronale Netze Objekte und deren Verhalten in der Welt. Nur, dass die Probleme, die sie damit lösen, noch viel komplexer sind als bei solchen Anwendungen.

Drei ganz unterschiedliche Beispiele im heutigen und künftigen Einsatz:

CIMON, fünf Kilogramm schwer, ist nach Angabe der DLR die erste künstliche Intelligenz in der bemannten Weltraumfahrt. Auf der Grundlage von IBMs Watson-Technologie entwickelt, hat Cimon gelernt, was ein Raumfahrer ist – und was eben nicht … was Gefühle bedeuten … und wie man auf einer Raumstation kommuniziert. Er kennt die gesamten Abläufe auf der ISS und weiß exakt, wann was zu tun ist. So kann der Begleiter im Schwerelosen Alexander Gerst erstmals bei allen Arbeiten unterstützen.

Googles Alpha Go – auch ein neuronales Netz. Es ist im Bereich des aus China stammenden strategischen Brettspiels aktiv, das wesentlich komplexer ist als Schach. In diesem Spiel gibt es mehr Entscheidungspfade als Atome im Universum. 2016 war Alpha Go erstmals in der Lage, einen menschlichen Champion zu besiegen.

Und last, bot not least: Das Aufkommen von Algorithmen, mit denen neuronale Netze – zu Robotern geworden – sogar selbständig lernen, sich in Umgebungen mit Hindernissen schnell fort zu bewegen – noch in der simulierten Welt! All das – nicht möglich ohne Entwicklungen, die schon in den neunziger Jahren begannen. Damals erhielten die komplexer werdenden neuronalen Netze einen wichtigen neuen Programmierungs-Impuls: die Gedächtnis-Fähigkeit. Sie können damit nicht nur wichtige von unwichtige Daten unterscheiden, sondern die, die nur ganz selten oder gar nicht gebraucht werden, wie der Mensch auch wieder vergessen, also aus ihren Speichern löschen und Speicherplatz frei machen. Im Fachjargon heißt das LSTM (Einblendung: Long Short-Term Memory) – wichtige Grundlage für den Durchbruch des Deep Learning im neuen Jahrtausend. Und damit sind wir wieder zurück auf der KI-Konferenz bei Timo Stich, der als Deep-Learning-Spezialist heute in einem Unternehmen arbeitet, das bisher mit KI recht wenig zu tun hatte.

O-Ton Dr. Timo Stich, Corporate Research and Technology, Carl Zeiss AG

Die Industrie zieht jetzt also auf breiter Front mit einer Entwicklung nach, die die Digitalbranche vom Handy bis zur Suchmaschine schon vor Jahren vollzogen hat. So sind heute bei den vier Weltplayern neuronale Netze auf der LSTM-Grundlage massiv im Einsatz. Sie erkennen Gesichter, helfen uns im Alltag und haben die Übersetzungsfähigkeiten ganz enorm verbessert. Am populärsten sind die neuronalen Netze aber derzeit hier: Beim Hype-Thema des autonomen Fahrens. Die rasante Entwicklung dieser Technologie wäre ohne Deep Learning nicht möglich. Und so ist es nicht weiter erstaunlich, dass auf KI-Konferenzen alle großen deutschen Automobilmarken inzwischen dokumentieren, dass sie auch mit dabei sind. Michael Hafner, bei Daimler fürs autonome Fahren verantwortlich, titelt schlicht: Die Neuerfindung des Automobils! Das klingt fast schon nach Revolution. Aber Hafner gibt Entwarnung:

O-Ton Dr. Klaus Hafner, Leiter Fahrtechnologien und Automatisiertes Fahren, Mercedes-Benz

Ein Neustart ist es schon – und dafür hat der Automobilhersteller rund eine Million Kilometer auf den Straßen Europas zugebracht, denn:

O-Ton (Übersetzung) Dr. Klaus Hafner, Leiter Fahrtechnologien und Automatisiertes Fahren, Mercedes-Benz

Kein Simulationssystem in der Welt kann Szenarios entwickeln, mit denen man in der realen Welt konfrontiert ist. Am Ende ist es wichtig, eine gute Mischung aus Simulation und realer Fahrpraxis zu haben. Nvidia, einer der weltführenden Visual Computing Spezialisten und Hersteller solcher Fahrsimulations-Systeme, sagt das Gleiche genau anders herum: Ohne Simulationen ist das Deep Learning autonomer Systeme nicht machbar, weil eine Million gefahrener Kilometer eben längst noch nicht genügend Dateninput liefert, damit ein autonomes System wie ein menschlicher Fahrer die komplexen Vorgänge im Verkehr adäquat verarbeiten und entsprechend reagieren kann: Menschen erkennen, unterschiedliche Objekte klassifizieren und vor allem schwer im Realverkehr testbare Gefahrensituationen meistern. Die Dynamik des Marktes ist enorm. Und die am Anfang der Entwicklung noch zögerlichen deutschen Automobilbauer, die lange Fahrspaß über Autonomie setzten, wollen jetzt offensichtlich doch an der Front der Entwicklung mitmischen.

O-Ton Dr. Klaus Hafner, Leiter Fahrtechnologien und Automatisiertes Fahren, Mercedes-Benz

Das klingt, als sei die technologische Entwicklung im Griff. Fraglich ist schon eher, ob in Europa die dafür nötigen rechtlichen Rahmenbedingungen schnell genug auf die Straße kommen. So sprechen beispielsweise Daimler und Bosch in ihrer neuen Liaison zum autonomen Fahren nicht von einer deutschen, sondern von einer amerikanischen Pilotstadt. Dort sollen schon 2019 solch intelligente S-Klasse-Robo-Taxis im städtischen Pilotverkehr die Straßen bevölkern. Und in Europa?

O-Ton Dr. Klaus Hafner, Leiter Fahrtechnologien und Automatisiertes Fahren, Mercedes-Benz

Und zuletzt: was bringt uns die KI in der Zukunft? Jürgen Schmidhuber, der mit seiner Forschungsgruppe an der TU München die LSTM-Programmierung entwickelt hat, gibt auf der Bühne und vor der Kamera gern den Guru der KI. Wie ist das mit Mensch und Maschine? Klar ist: Deep Learning steht am Anfang einer dramatischen Entwicklung: heute die übermenschliche Mustererkennung im Fokus, und jetzt schon im Kommen das General Deep Learning auf dem Weg zum ultimativen Traum der KI-ler: die finale Entkoppelung der Algorithmen von der Kontrolle durch den Menschen. Noch sind wir davon ziemlich weit entfernt, denn KI wird heute nicht wirklich autonom, sondern im Dienste des Menschen entwickelt.

Doch für Schmidhuber ist das nicht das Ziel seiner Aktivitäten, die er übrigens schon als Jugendlicher klar vor Augen hatte.

O-Ton Prof. Dr. Jürgen Schmidhuber, Robotiker und wissenschaftlicher Direktor Swiss AI-Lab ISDSIA

Heißt das also, dass sich Jürgen Schmidhuber nach vollbrachter Arbeit auf die Couch legen wird?

O-Ton Prof. Dr. Jürgen Schmidhuber, Robotiker und wissenschaftlicher Direktor Swiss AI-Lab ISDSIA

Und hier noch der öffentlich präsentierte, persönliche Blick von Schmidhuber in die weite und auch ferne Zukunft, in sein reichlich anthropozentrisch geprägtes Weltbild. Darin erobert der Mensch, wenn auch nicht selbst, sondern die von ihm erschaffene Künstliche Intelligenz zuletzt sogar das gesamte Universum. Die KI als Welteroberer im Beschleunigungsmodus eines PowerPlay also … doch manchmal sind es ja nur die kleinen Probleme des Lebens, die nach einer schnellen Lösung suchen. Wenn sich etwa pünktlich zur Mittagszeit mehr als dreitausend Teilnehmer ganz langsam zu den Treppen wälzen, um dann reichlich entschleunigt in langen Schlangen auf das Essen zu warten. Da versagt dann offensichtlich auch bei den KI-Beschleunigten die schnelle Problemlösung!
 
 
Erstsendung: Oktober 2018
© 2018 mce mediacomeurope GmbH
© Vorschaubild: Pixabay/PIROD4D

 
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