Fische in Atemnot

Fische in Atemnot

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Added by 20. Oktober 2018


 

Klimawandel vergrößert sauerstoff-freie Gebiete in den Ozeanen stärker als bisher angenommen

 

Nicht nur die Überfischung, Mikroplastik und die Versauerung der Meere stressen Fische in ihrem Lebensbereich. Der Mensch bedroht das gesamte Ökosystem Meer auch durch den dramatisch zunehmenden Verlust des Sauerstoffs. Dass die Wechselwirkung zwischen der Erderwärmung und den Ozeanen auch bei der Aufnahme des Sauerstoffs große Wirkung zeigt, ist erst jetzt durch die Analyse alter wissenschaftlicher Daten klar geworden. Susanne Päch berichtet in dieser Studiosendung über den neuesten Stand der Meeresforschung und wie heute darin mit autonomen Systemen der Sauerstoffgehalt laufend erfasst werden kann.

 
 
Sprechertext der Sendung:
 
Unser Thema heute: der sinkende Sauerstoffgehalt im Meer. Fische haben zwar keine Lunge wie der Mensch, aber dennoch brauchen sie Sauerstoff. Diese Aufgabe übernehmen die Kiemen. Während die Fische durch das Wasser schwimmen, filtern sie den Sauerstoff im Wasser heraus. Jetzt schlagen internationale Forscher mit der „Kieler Erklärung“ Alarm. Denn neueste Ergebnisse von Meeresexpeditionen zeigen, dass Fische durch den sinkenden Sauerstoffgehalt im Meer an immer mehr Stellen ihres angestammten Lebensraums in Atemnot geraten.
 
Prof. Dr. Martin Visbeck, Ozeanologe Uni Kiel, Sprecher Exzellenzcluster „Ozean der Zukunft“
 
Das lebenswichtige Gas ist im Meer grundsätzlich nicht überall gleich verteilt. Denn bei höheren Temperaturen löst Wasser an der Grenzfläche zur Atmosphäre weniger Sauerstoff. Wir sehen hier die globale Verteilung der Oberflächentemperatur der Meere – und hier jetzt eine Simulation, die Temperatur und Geschwindigkeit in 75 Metern Tiefe zeigt. Die hohen Temperaturen in den tropischen Zonen sind der Grund dafür, dass es dort schon immer große Gebiete mit sehr geringem Sauerstoff gegeben hat, einige sogar sauerstofffrei. Diese Regionen sind in den letzten Jahrzehnten deutlich größer geworden sind. Das zeigt diese Weltkarte. Die sauerstoffreichen „Lungen“ der Ozeane liegen dagegen in den kalten polaren Zonen. Mit den Meeresströmungen wird der Sauerstoff von dort laufend großräumig verteilt und auch in tiefere Schichten transportiert.
 
Prof. Dr. Martin Visbeck, Ozeanologe Uni Kiel, Sprecher Exzellenzcluster „Ozean der Zukunft“
 
Seit rund hundert untersuchen Forscher das Meerwasser – heute kann das Wasser schon während der Expedition mit einem modernen biochemischen Labor untersucht werden. Der weite Ozean, das wissen die Forscher seit langem, zeigt große sauerstoffarme Gebiete, in denen nur wenige Fische leben. Eine umfangreiche Auswertung solcher Daten aus vielen Jahrzehnten brachte jetzt die für Forscher unerwartete Erkenntnis: Diese sogenannten offenen Minimum-Zonen haben sich in den letzten fünfzig Jahren um fünf Prozent ausgedehnt. Auch ein sauerstoffarmer Wirbel im Atlantik hat sich offenbar deutlich vergrößert.
 
Prof. Dr. Martin Visbeck, Ozeanologe Uni Kiel, Sprecher Exzellenzcluster „Ozean der Zukunft“
 
Neben dem Klimawandel, der auch die Weltmeere erwärmt und so die sauerstoffarmen Regionen im Ozean weiter vergrößert, gibt es noch einen zweiten menschgemachten Auslöser für den Sauerstoffverlust im Wasser. Er betrifft die küstennahen Regionen, in denen das Phänomen ebenfalls zu beobachten ist. Hier ist es vor allem landwirtschaftlicher Dünger, der über die Flüsse ins Meer kommt. Der Anstieg der dadurch eingeleiteten Nährstoffe im Meer führt zu vermehrtem Wachstum von Algen. Sterben sie ab, zersetzen sie Sauerstoff. Der Effekt beider Eingriffe ist allerdings der gleiche: Die Todeszonen für Fische wachsen stetig an.

Alle vorliegenden aktuellen und historischen Daten über den Sauerstoffgehalt wurden nun zusammengetragen – mit der dramatischen Erkenntnis der Geomar-Meeresforscher in Kiel.
 
Prof. Dr. Martin Visbeck, Ozeanologe Uni Kiel, Sprecher Exzellenzcluster „Ozean der Zukunft“
 
Der Sauerstoffgehalt im Meer lässt sich nur punktuell messen. Seit über 50 Jahren werden auf Forschungsexpeditionen die geborgenen Wasserproben unterschiedlicher Tiefen direkt im Labor ausgewertet. Inzwischen gibt es auch Möglichkeiten, mit Hilfe von mobilen Roboter-Plattformen den Sauerstoffgehalt im Ozean laufend zu erfassen: Profilierende Tiefendrifter vermessen auf dem ganzen Globus alle zehn Tage die oberen zweitausend Meter. Im Projekt ARGO ist in den Weltmeeren bereits eine große Flotte von 3800 solcher Drifter für die Ozean- und Klimaforschung unterwegs, die von einem internationalen Forschungs-Netzwerk betrieben wird. Etwa zweihundert davon können auch den Sauerstoff im Wasser messen. Diese auf- und ab tauchenden Gleiter hier erfassen Daten über mehrere Monate hinweg. Sie ähneln dem Schwimmverhalten von Delfinen und können sich mehrere tausend Kilometer fortbewegen. Ihre Messungen führen sie entlang der Strecke mit hoher räumlicher Auflösung durch. Damit die Wissenschaftler diese Daten allerdings nutzen können, müssen die autonomen Taucher auf ihrer Reise durch die Weltmeere immer wieder an die Wasseroberfläche. Dann wird der Kontakt mit einem Satelliten hergestellt, über den sie die gesammelten Daten dann an funken. Schließlich messen auch fest verankerte Stationen, sogenannte Ozean Observatorien, laufend den Sauerstoffgehalt in unterschiedlichen Wassertiefen bis maximal sechstausend Meter. Deren Daten werden in der Regel nur einmal im Jahr ausgelesen, während das Observatorium auf dem Forschungsschiff gewartet und wieder neu ausgelegt wird. Nur in Küstennähe sind diese Observatorien mit einem Unterwasserkabel mit dem Land verbunden und können die Daten in Echtzeit liefern.
 
Prof. Dr. Martin Visbeck, Ozeanologe Uni Kiel, Sprecher Exzellenzcluster „Ozean der Zukunft“
 
Die dreidimensionale Zirkulation des Wassers kann heute in Modellen erfasst werden, die eine wichtige Voraussetzung dafür sind, die Vorgänge im Ozean besser zu verstehen. Die dafür erforderlichen Daten werden heute vor allem aus dem Weltraum gesammelt. Erderkundung mit Satelliten wie die Sentinel-Reihe stellen für die Meeresforschung seit Jahren eine Flut von Messdaten zur Verfügung. Die globale Temperaturverteilung der Oberfläche des Meeres über das Jahr oder die oberflächennahen Winde, die die Wasserströmung antreiben und damit für die Durchmischung des Wassers sorgen. Erst vor kurzem ist Aeolus gestartet, der neueste Erkundungssatellit der Europäischen Raumfahrtbehörde ESA. Er misst erstmals systematisch die globalen Windprofile.
 
Prof. Dr. Martin Visbeck, Ozeanologe Uni Kiel, Sprecher Exzellenzcluster „Ozean der Zukunft“
 
Mit der neuesten Auswertung des Sauerstoffgehaltes sind Klima-Modellierer jetzt auch auf ein gravierendes Problem ihrer langfristigen Simulationen aufmerksam geworden. Keines der gängigen Ozeanmodelle für langfristige Klimavorhersagen bildet den Sauerstoffgehalt heute richtig ab. Dass bei den langen Vorhersagen etwas nicht stimmen kann, das wissen die Modellierer schon lange. Denn sie rechnen zur Validierung die Simulationen rückwärts in die Vergangenheit, was über lange Zeiträume nicht korrekt möglich ist. Jetzt wissen Sie: Auch die Veränderung des Sauerstoffs ist in den Modellrechnung nicht richtig erfasst. Realität und Modell laufen in der Vergangenheit auseinander. Vor dem „warum“ stehen Klimaforscher bisher noch etwas ratlos.
 
Prof. Dr. Andreas Oschlies, Geomar Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel und Sprecher des Sonderforschungsbereichs 758
 
Mehr zum Thema gibt es in meinem ausführlichen Interview mit dem Experten. Mit immer weiter verbesserten Methoden und Technologien treten an immer neue Stressfaktoren im ökologischen Gesamtsystem zutage – ausgelöst durch das Erfolgsmodell Mensch auf dem blauen Planeten. Sie zeigen, wie stark wir schon an vielen Stellen in das Wirkungsgefüge Erde eingegriffen haben. Gleichzeitig machen sie deutlich, wie vernetzt und auch wie fraglich das ökologische Gleichgewicht auf unserem blauen Planeten ist. Selbst kleinste Änderungen können große Wirkung zeigen. Alles hängt eben irgendwie mit allem zusammen.
 
Prof. Dr. Andreas Oschlies, Geomar Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel und Sprecher des Sonderforschungsbereichs 758
 
In der „Kieler Erklärung“ schlägt die Community der Klimaforscher jetzt Alarm – und zeigt dem Menschen mit dem drastisch gesunkenen Sauerstoff in den Weltmeeren eine weitere gelb-rote Karte. Zuletzt dazu: Der Appell vom Experten!
 
Prof. Dr. Martin Visbeck, Ozeanologe Uni Kiel, Sprecher Exzellenzcluster „Ozean der Zukunft“
 
 
Erstsendung: Oktober 2018
© 2018 mce mediacomeurope GmbH
© Vorschaubild: Pixabay/PIROD4D

 
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