Scharfer Blick zurück

Scharfer Blick zurück

Like This Video 1 Susanne
Added by 17. Mai 2017


 

Die Informationsfeldtheorie ermöglicht die Optimierung extrem schwacher Daten

 

Torsten Enßlin sieht das Universum als Großlabor, dessen sich die Wissenschaft bedienen kann. Wichtig dafür aber ist die möglichst genaue Auswertung der digital gesammelten kosmischen Messdaten. Doch je weiter wir hinaus in das weite All blicken, desto schwächer werden die Signale. Der Kosmologe und Wahrscheinlichkeitstheoretiker Thorsten Enßlin hat mit der Informationsfeldtheorie ein neues Modell für die Datenauswertung vorgelegt, die Wahrscheinlichkeitstheorie und Physik verbindet und damit die Präzision extrem verrauschter Daten verbessert. Interessant ist es nicht nur für die Prozessierung astronomischer Daten. Sie lässt sich ebenso für die Bildauswertung von Kernspin-Tomographen wie auch für prognostische Abschätzungen einsetzen. Denn die Datenverarbeitung mit der Informationsfeldtheorie arbeitet immer nur auf der Grundlage von Wahrscheinlichkeiten – die kann man also ebenso für den Blick in die Datenzukunft nutzen, ebenso wie für den geschärften Blick zurück!


 
Sprechertext der Sendung:
 
Experimentelle Großforschung, direkt im Universum – das ist eine Thematik, auf die der Kosmologe Torsten Enßlin große Stücke hält.

O-Ton Dr. Thorsten Enßlin, Kosmologe und Wahrscheinlichkeitstheoretiker, Max-Planck-Institut für Physik

Um dieses kosmische Labor nutzen zu können, braucht es also optimierte Datenauswertung – und genau das ist das große Thema Enßlinscher Forschung. Mit seiner neuen Methode kitzelt er noch mehr Information aus stark verrauschten oder unvollständigen Daten heraus als bisher. Die Optimierung für die Auswertung solcher astrophysikalischen Daten aus Teleskopen und Satelliten bildet den Schwerpunkt der Forschungsgruppe von Enßlin. Sie baut auf einer mathematisch herleitbaren Theorie auf, die aristotelische Logik auf Unsicherheiten erweitert.

O-Ton Dr. Thorsten Enßlin, Kosmologe und Wahrscheinlichkeitstheoretiker, Max-Planck-Institut für Physik

Enßlin, der seine Theorie selbst als Informationsfeldtheorie bezeichnet, jongliert mit Wahrscheinlichkeitsräumen aller möglichen Bilder. (Einblendung IFT) Angesiedelt zwischen Informationstheorie und Physik, befasst sie sich mit dem scheinbar Unmöglichen:

O-Ton Dr. Thorsten Enßlin, Kosmologe und Wahrscheinlichkeitstheoretiker, Max-Planck-Institut für Physik

Es geht also darum, aus wenig Information „mehr“ zu machen. Das klingt fast mystisch. Doch ein Großteil der Bilder aus dem Universum, die uns Astrophysiker heute vorlegen, ist kein reales photographisches Abbild. Es handelt sich vielmehr um ein digitales Konstrukt umfangreicher Datenanayse und -interpretation. Ein Beispiel:

O-Ton Dr. Thorsten Enßlin, Kosmologe und Wahrscheinlichkeitstheoretiker, Max-Planck-Institut für Physik

In der Informationsfeldtheorie kommt dieses „Mehr“ an Information oft aus dem Wissen um Korrelationen in den Signalen. Kennt man ein Signal an einem Ort, kennt man es bis zu einem gewissen Grad auch an benachbarten Punkten. Da aber die „Erfindung von Information“, wie Enßlin das nennt, ganz generell nur im besten Glücksfall wirklich ganz richtig sein kann – anders gesagt: eher unwahrscheinlich ist! -, dreht es sich bei der Informationsfeldtheorie um eine statistisch höchst anspruchsvolle Methode.

O-Ton Dr. Thorsten Enßlin, Kosmologe und Wahrscheinlichkeitstheoretiker, Max-Planck-Institut für Physik

Gängige Methoden zur Unterdrückung von Rauschen sind seit Jahrzehnten bekannt. Doch bisher sind sie jeweils nur für bestimmte Fragestellungen nutzbar. Genau da hat Enßlin mit seinen theoretischen Überlegungen angefangen. Dafür war zuerst einmal ein Kommunikationsproblem zu überwinden:

O-Ton Dr. Thorsten Enßlin, Kosmologe und Wahrscheinlichkeitstheoretiker, Max-Planck-Institut für Physik

Soll die IFT für bestimmte wissenschaftliche Anwendungen zum Einsatz kommen, dann muss das theoretische Gebäude mit konkreten Fakten befüllt und in passende Algorithmen umgesetzt werden. Für bestimmte Fragen der Astrophysik sind sie schon entwickelt: beispielsweise für die Datenoptimierung der extrem schwachen Hintergrundstrahlung, die vom Satelliten Planck gemessen wurde. Darin zeigen sich Anomalien in der statistischen Verteilung, die theoretisch der Gaußschen Häufigkeit folgen sollte. Für manche Kosmologen sind diese Abweichungen ein Anlass, die gesamte Inflationstheorie in Frage zu stellen. Doch der Wahrscheinlichkeitstheoretiker hält in dieser Angelegenheit nichts von Perfektion:

O-Ton Dr. Thorsten Enßlin, Kosmologe und Wahrscheinlichkeitstheoretiker, Max-Planck-Institut für Physik

Enßlin ist überzeugt, dass sich Gravitationswellen in filigranen Schwankungen der Polarisation auch in der Hintergrundstrahlung eingeprägt haben. Doch das starke Vordergrundsignal des Staubs im Kosmos ist in den Planck-Daten sehr ausgeprägt. Selbst mit den besten Algorithmen lässt sich dieser Staub nicht aus dem Hintergrund herausrechnen. Um diesen trügerischen Schleier los zu werden, sind sowohl neue Messungen in speziellen Frequenzbändern als auch bessere Algorithmen vonnöten.

Die den ganzen Weltraum erfüllenden Gravitationswellen im universalen Großlabor weiter zu untersuchen, ist daher eine wichtige kosmologische Aufgabe. Möglich ist das beispielsweise durch die Messung minimaler Abweichungen in der Frequenz der präzisen Lichtblitze von Pulsaren. Vorläufig darf also über die Inflationstheorie und die Auswirkung der Planck-Daten auf unser frühes Weltbild weiter spekuliert werden. Der eine so, der andere so, denn auch Wissenschaftler sind nur Menschen.

O-Ton Dr. Thorsten Enßlin, Kosmologe und Wahrscheinlichkeitstheoretiker, Max-Planck-Institut für Physik

Enßlin ist damit offenbar zufrieden. Statt auf Spektakuläres setzt er lieber auf Wahrscheinliches.

Erstsendung: Mai 2017
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