Mini-Netze und Mega-Kraftwerke

Mini-Netze und Mega-Kraftwerke

Like This Video 1 Susanne
Added by 16. April 2017


 

Mit den erneuerbaren Energien zieht Flexibilität in das Enegiesystem ein

 

Mit der zunehmenden Produktion von Energie aus erneuerbaren Quellen zeigen sich für die Zukunft ganz unterschiedliche, sich ergänzende Trends: Micro Grids erlauben den Aufbau wirtschaftlich betreibbarer Mini-Netze – auch da, wo das Stromnetz bisher nicht hinreichte. An Standorten hoher Sonnenstrahlung dagegen entstehen gewaltige Produktionskomplexe, die Energie aus Sonnenlicht gewinnen und es sogar solarthermisch speichern können. Künftig werden sie sogar zu „Sektoren-Kraftwerken“, die nicht nur Energie bereitstellen. Sie liefern dann auch Wärme für Heizsysteme. Sogar Treibstoffe und wertvolle Rohstoffe kommen aus dem Mega-Kraftwerk von morgen, das mit dem Licht der Sonne aus Kohlendioxid den für die chemische Industrie wertvollen Kohlenstoff spaltet und Wasserstoff für den Mobilitätssektor aus Wasser gewinnt.


 
Sprechertext der Sendung:
 
Die Deutschen gelten als Mutterland der Energiewende. Aber der weitgehend unkontrollierte Ausbau dezentraler Produktion war nicht von der erforderlichen Anpassung der Netzinfrastruktur begleitet – jetzt muss das nachgeholt werden: die politischen Entscheidungen sind mühsam, gleichzeitig steigen die Stromkosten für die Verbraucher. Das Thema ist hier in den letzten Jahren eher ins Stocken geraten.

Fakt ist auch: Deutschland hatte zwar schon früh eine wirklich gute Idee, aber sie umzusetzen ist andernorts schon kostengünstiger zu realisieren. Denn keiner der vier wichtigsten Treiber für den inzwischen global einsetzenden Run auf die Erneuerbaren ist hierzulande so richtig relevant.

Energiewende – Faktor 1
Kein Netz!

In Regionen, in denen es bisher kein Netz gibt, ist der direkte Einstieg in die Erneuerbaren heute wirtschaftlich sinnvoll. Die Technologie dafür heißt Micro Grids, die sich auf kleiner Fläche autark betreiben lassen. Sie können ohne die wesentlich aufwändigere Anbindung an das Stromnetz aufgebaut werden und damit auch energetisch bisher abgeschnittene Gebiete versorgen.

Hier sehen wir ein von der Weltbank gefördertes Projekt auf der Insel Monpura in Bangladesh – eines von vielen, die derzeit weltweit aus dem Boden sprießen. Netz gab es hier keines, bis vor kurzem mussten die Bewohner Strom vor Ort umständlich mit Dieselgeneratoren erzeugen. Dank des Weltbank-Projektes kommt der jetzt über ein Micro Grid direkt aus der Sonne.

O-Ton Handwerker Bangaldesh

Bei den Micro Grids geht es aber nicht mehr nur um das Thema Entwicklungshilfe. Die global steigende Zahl von Insel-Lösungen gewinnt auch in hochentwickelten Regionen an Bedeutung. Solche Micro Grids wie hier auf der Insel Kauai sind digital hochgerüstet und bieten Netzmanagement als zentrales Herzstück in dem von erneuerbaren Energien getragenen Mini-Netz. Es schlägt im 50-Hertz-Takt, simuliert also den heutigen Puls des Energienetzes.

Dann ist da noch die Sache der Volatilität der Stromerzeugung durch Sonne und Wind, die vom Micro Grid in Echtzeit geregelt wird. Der Überschuss der Stromproduktion kann zwischengespeichert werden, bei extremer Überproduktion ist sogar der zeitweilige Stopp von Anlagen gefordert. Im gegenteiligen Fall muss Energie aus den Speichern frei gegeben werden.

Energiewende – Faktor 2
Blackout-Gefahr!

Micro Grids sind auch in Ballungszentren hochentwickelter Regionen stark im Kommen. Der Experte spricht von On-Grid-Lösungen, also solche, die in das bestehende Netz integriert werden.

Selbst in Mega-Cities wie New York ist die Blackout-Gefahr im Netz so groß, dass sich Micro Grids für die Notfallversorgung schon lohnen. Die Mini-Netze bieten bei Stromausfällen stabile Qualität für Unternehmen aber auch für Privathaushalte.

Energiewende – Faktor 3
Energie-Hunger!

Wirtschaftlich aufstrebende Länder wie China zeigen einen massiv steigenden Energiebedarf. Auch der soll künftig vorwiegend mit erneuerbaren Energien befriedigt werden. Im Land der aufgehenden Sonne geht es dabei zuerst einmal um gewaltige Großkraftwerke. Die entstehen in diesem Flächenland dort, wo erneuerbare Energien Strom besonders effizient erzeugen können – meist also nicht da, wo der Strom gebraucht wird. Er wird daher aus diesen Kraftwerken der Superlative aus dem Nirgendwo über Hochspannungs-Gleichstrom-Trassen in die Mega-Städte transportiert.

Mit dieser in Europa entwickelten Technologie lässt sich Energie über tausend Kilometer und mehr übertragen – und das mit bis zu fünfzig Prozent weniger Verlust als mit Wechselstrom.

O-Ton Prof. Dr.-Ing. Robert Pitz-Paal, Direktor des Instituts für Solarforschung am DLR

Energiewende – Faktor 4
Licht en gros!

Last, but not least: Wo viel Wind bläst oder viel Sonne scheint, liegt das Dorado der erneuerbaren Energien. Welchen Aufschwung die Stromerzeugung gerade aus Solarenergie in den letzten Jahren genommen hat, zeigt das Projekt NOOR in Marokko. Hier – am Rand der Wüste – liegt die Zone weltweit höchster Sonneneinstrahlung. Jetzt entsteht hier der derzeit größte Kraftwerk-Komplex für Solarenergie. Auf 3.300 Hektar wird das Licht unseres Energiespenders mit unterschiedlichen Technologien zur Erzeugung von Strom genutzt. 1,3 Millionen Marokkaner werden im Endausbau mit 580 MegaWatt aus der Sonne versorgt – und das dann für etwa 10 Cent pro Kilowattstunde. Großkraftwerke für Sonnenstrom entstehen heute rund um den Äquator. Dabei konkurrieren heute Technologien: die Photovoltaik auf der einen und die solarthermischen Kraftwerke auf der anderen Seite. Sie bündeln das Sonnenlicht mit Spiegeln auf Rinnen oder einen Solarturm. Der Wärmeträger heizt einen Wasserkreislauf, mit dem Dampf produziert ein konventionelles Kraftwerk dann den Strom. Heute stehen die Technologien in Konkurrenz – die Zukunft könnte ihrer Kombination gehören.

O-Ton Prof. Dr.-Ing. Robert Pitz-Paal, Direktor des Instituts für Solarforschung am DLR

Die Energiewende zeigt für die Zukunft zwei wichtige Trends: Auf der einen Seite Großkraftwerke erneuerbarer Energien, die dann im Fernverkehr zu bevölkerungsstarken Mega-Städten transportiert werden.

Auf der anderen Seite: Die hochintelligenten Micro Grids mit einer stark dezentralisierten Stromversorgung.

Das Stichwort heißt also Flexibilität – ein Schlagwort, das jetzt auch in der Energiewirtschaft voll angekommen ist.

 

 
Erstsendung: April 2017
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© Vorschaubild: World Bank Group

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