Rosat, reloaded!
Neue Erkenntnisse aus alten Satelliten-Daten – zweiter Röntgen-Himmelsatlas
Rosat gilt als Meilenstein der Röntgenastronomie: Zum ersten und bisher einzigen Mal hat er den ganzen Himmel auf Röntgenquellen untersucht. Eine Forschergruppe am Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik hat in den letzten Jahren die über zwanzig Jahre alten Daten mit modernsten Methoden komplett neu ausgewertet und dieses Jahr den zweiten Himmelsatlas mit vielen bisher unbekannten Röntgenquellen – vor allem am unteren Ende des Spektrums – veröffentlicht. Wie man Röntgenquellen detektiert, warum es so schwierig ist, Röntgenquellen sichtbaren Sternen zuzuordnen und was es mit der nächsten geplanten Himmelsdurchmusterung von eRosita Neues geben wird, sehen Sie hier.
Sprechertext der Sendung:
Rosat – ein Meilenstein der deutschen Raumfahrt!
Rund zwanzig Jahre ist es her, dass Astrophysiker des Max-Planck-Instituts für extraterrestrische Physik mit Messergebnissen des von Deutschland entwickelten Satelliten den ersten und bisher einzigen umfassenden Atlas der universalen weichen Röntgenstrahlung veröffentlicht haben.
Die Liste der Rosat-Entdeckungen ist lang: vom Crab-Pulsar über den Nachweis des bis dahin unbekannten Supernova-Überrestes in der Magellanschen Wolke bis zu weit entfernten Quasaren und Galaxienhaufen am Rande unseres Universums.
Vor einigen Jahren entwickelte der Astrophysiker Thomas Boller mit einigen Kollegen die Idee, die alten Daten aus den Archiven zu holen und ihnen mit modernster Computertechnologie neue Geheimnisse zu entlocken.
O-Ton Prof. Dr. Thomas Boller
Der neue Katalog wurde 2016 der Wissenschafts-Community übergeben – mitsamt von mehr als 20.000 neu detektierten Röntgen-Punktquellen. Sie liegen vor allem am unteren Ende des von Rosat untersuchten Frequenzbereichs – dort, wo die Unsicherheiten zunehmen und besondere Präzision gefordert ist.
Michael Freyberg, einer der sechs Astrophysiker, die am jetzigen „Facelifting“ der Rosat-Daten mit neuen Methoden und leistungsfähigeren Rechnern beteiligt waren, hatte sich schon vor über zwanzig Jahren mit der Auswertung der Rosat-Daten befasst.
O-Ton Dr. Michael Freyberg
Das wird auch die Auflösung der Röntgenquellen deutlich verbessern.
In den Rosat-Daten können Astrophysiker jedes einzelne Röntgenphoton mit einer Genauigkeit von etwa 20 Bogensekunden am Himmel positionieren. In diesem Raster würde der Vollmond am nächtlichen Himmel eine Fläche von 10.000 Pixeln einnehmen. Die besten optischen Teleskope lösen den Himmel zwanzig Mal besser auf als es Rosat konnte. Die von den Röntgendetektoren gemessenen Photonen können also von vielen optisch erfassbaren Himmelsquellen stammen.
Die Trenddisziplin der „Multiwavelength Astronomy“ versucht, das mit höchst unterschiedlichen Technologien gemessene Licht des Himmels bestimmten Röntgenobjekten zuzuordnen. Eine Sisyphosarbeit! Um die Strahlenfluten aus allen Richtungen des Himmels in den Griff und die unterschiedlichen Daten zusammen zu bringen, setzen die Forscher vor allem auf Plausibilitäten und ihre Erfahrung.
O-Ton Dr. Antonis Georgakakis
Die Zuordnung von Röntgenquellen ist wesentlich leichter, wenn bekannt ist, wie weit eine Röntgenquelle entfernt ist. Aber auch das ist aus den Daten des Rosat nicht abzuleiten. Denn ein Photon allein kann uns keine Information darüber geben, wie weit es durch den Weltraum zur Erde gereist ist.
Nur mit der spektralen Verteilung von Emissions- oder Absorptionslinien können Astrophysiker die Entfernung von Himmelsobjekten ermitteln.
Selbst im optischen Frequenzbereich sind nur rund zehn Prozent aller bekannten Himmelsquellen spektroskopisch erfasst – wie hier im chilenischen La Silla mit dem NTT.
Im Röntgenbereich, der nur außerhalb der irdischen Atmosphäre mit Sonden beobachtet werden kann, gelingt diese spektrale Aufschlüsselung heute nur für einzelne Röntgen-Punktquellen. Für einen vollständigen Himmelsatlas im Röntgenlicht ist dies bisher nicht möglich.
O-Ton Dr. Frank Haberl
Die Spektroskopie im Röntgenbereich steckt also noch in den Kinderschuhen, wird aber mit der Himmelsdurchmusterung durch eRosita einen mächtigen Schub erhalten. Der Satellit soll 2017 starten und dann mehrere Jahre lang den Himmel zum zweiten Mal umfassend auf Röntgenquellen durchmustern: zehnmal empfindlicher als Rosat und vor allem in noch höheren Energiebereichen.
O-Ton Dr. Michael Freyberg
Etwas salopper formulierte es ein Kollege so: Man sammelt einfach alles an Daten zusammen, was man finden kann. Dann muss man sich aber dringend etwas Intelligentes überlegen, wie man des universalen Datenwustes Herr werden kann!
Vorschaufoto: DLR
Erstsendung: Dezember 2016
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