Impfung mit Trick
Virusähnliche Partikel überlisten das Immunsystem
Die vor wenigen Jahrzehnten aufgedeckte Erkenntnis, dass Viren an der Entstehung von Krebs beteiligt sein können, hat eine vollständig neue Herangehensweise im Kampf gegen Tumore wachsen lassen: den Körper mit einem Impfstoff gegen krebsauslösende Viren zu immunisieren. Der australische Immunologe Ian Frazer und sein 1999 verstorbener chinesischer Kollege Jian Zhou entwickelten einen solchen Impfstoff gegen zwei besonders aggressive Typen des Papillom-Virus HPV.
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– mehr über das Patent für den Impfstoff und die Nominierung zum Erfinderpreis des Europäischen Patentamtes – hier
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Der Schotte Ian Frazer nutzte für seine wegweisende Entwicklung die Forschungsergebnisse des deutschen Mediziners und Nobelpreisträgers Harald zur Hausen. Er hat bereits Anfang der siebziger Jahre die Vermutung geäußert, dass dem humanen Papillomvirus eine Rolle bei der Entstehung von Gebärmutterhalskrebs zukommen könnte. Das sexuell übertragbare Virus führt zur Infektion von Haut- und Schleimhautgewebe, was im schlimmsten Fall Gebärmutterhalskrebs hervorrufen kann. Anfang der achtziger Jahre des vorigen Jahrhunderts identifizierte der Forscher schließlich die sogenannten „Hochrisiko“-HPV-Typen – vor allem HPV 16 und HPV 18 – als Hauptursache für mehr als siebzig Prozent aller Gebärmutterhalstumore sowie verschiedener anderer Krebsarten bei Männern und Frauen.
Diese Erkenntnis sollte Ian Frazer in den Mittelpunkt seiner Forschung stellen. Bereits 1985, kurz nach seiner Übersiedelung nach Australien, gründete er die weltweit erste Forschungsgruppe, die sich ausschließlich auf diese Krankheit spezialisierte, um einen Impfstoff zu entwickeln. Es erwies sich allerdings als unmöglich, das höchst instabile Papillomvirus im Labor zu kultivieren und somit einen Impfstoff auf der Grundlage lebender viraler Elemente herzustellen. Erst nach vielen Jahren der Experimente und Rückschläge gelang es Ian Frazer und dem chinesischen Molekularbiologen Jian Zhou, die HPV-Oberflächenproteine auf einem unschädlichen Virus, der als Träger fungiert, zu klonen. Diese virusähnlichen Träger-Partikel werden aus einer unter dem Namen „Saccharomyces cerevisiae“ bekannten und traditionell zur Herstellung von Wein und Bier verwendeten Hefe hergestellt. Wenn diese „virusähnlichen Partikel“ in den menschlichen Körper injiziert werden, sorgen sie dafür, dass dreißig bis achtzig Mal mehr Antikörper gebildet werden, als dies mit natürlichen Virusgenen der Fall wäre.
Von den ersten Erfolgen bis zur Markteinführung des Impfstoffs vergingen fast fünfzehn Jahre. 1991 reichten die beiden Forscher in Australien eine Patentanmeldung für ihre biotechnische Entwicklung ein. 1995 begannen Frazer und Zhou ihre Zusammenarbeit mit dem amerikanischen Pharmaunternehmen Merck & Co für die Entwicklung des Impfstoffes unter dem Namen Gardasil. Nach drei Jahren Prüfungsphase schlossen die Forscher 1998 die ersten Studien am Menschen mit hervorragenden Ergebnissen für das Präparat ab. Nachdem Jian Zhou 1999 im Alter von 42 Jahren unerwartet verstorben war, setzte Ian Frazer die gemeinsame Arbeit fort und brachte den Impfstoff der gefährlichen HPV-Typen 16 und 18 schließlich zur Marktreife. 2015 erhielten die beiden Forscher für ihre patentierte Entdeckung den Publikumspreis des Europäischen Erfinderpreises, der jährlich vom Europäischen Patentamt verliehen wird.
Erstsendung: Mai 2015
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