Technik, die unter die Haut geht
Science-Talk: Implantate für bidirektionalen Datenaustausch mit dem neuronalen Netz
Zum Menschsein gehört die Nutzung von Werkzeugen; jetzt wächst der Homo Faber mit seinen Maschinen zusammen. Außen- und Innenwelt verschmelzen – die Biotechnik entwickelt dafür „bidirektionale“ Implantat-Technologien. Über den Stand der Technik und die gesellschaftlichen Perspektiven sprach Susanne Päch mit dem Biotechniker Prof. Dr. Thomas Stieglitz, der Projektleiter des interdisziplinären Exzellenzclusters „Brain Links – Brains Tools“ ist.
Link-Empfehlungen der Redaktion zu weiterführenden Informationen:
– die Forschungscluster am IMTEK der Universität Freiburg – hier
– mehr über die Forschungen im Exzellenz-Cluster „Brain Links – Brain Tools“ – hier
Mehr zum Inhalt des Videos:
Unter die Haut implantierte Chips werden es Menschen bald erlauben, Maschinen über Signale aus dem neuronalen Netz – also nur durch die Kraft von Gedanken – präzise zu steuern. Umgekehrt können diese Systeme, mit Informationen aus Inputsensoren von außen gefüttert, die internen Daten im Nervensystem in Echtzeit „überschreiben“. Die Fachwelt nenne sie „bidirektionale Implantate“. Allein die medizinischen Einsatzfelder der bidirektional implantierten Kommunikations-Schnittstelle sind weitreichend und zielen auf die Steuerung der motorischen Fähigkeiten des Menschen: Sie soll Patienten künftig die optimale Steuerung von Neuroprothesen aller Art erlauben – bis hin zu Exoskeletten für Gelähmte. Perspektiven zeigen schon den breiten Einsatz solcher Technologien für die verbesserte Mobilität der alternden Gesellschaft.
Noch können solche bidirektionale Implantate nur am peripheren Nervennetz getestet werden – und auch hier nur vorübergehend für kurzfristige Experimente von wenigen Wochen. Derzeit fehlt es an implantierbarer miniaturisierter und vor allem biotauglicher „Wetware“. Auch die Kenntnisse der Funktionsweise des gesamten Nervennetzes zeigen noch viele Erkenntnislücken, die Experimentatoren derzeit durch Trial und Error ersetzen. Dennoch offenbaren die neuesten Fortschritte in der Medizintechnik, dass die Mauer zwischen Innen- und Außenwelt längst eingerissen sind: Maschinelle Intelligenz dringt immer tiefer in den biologischen Organismus ein. Und auch das zeichnet sich schon ab: Solche bidirektionalen Implantate werden beim Andocken am peripheren Nervensystem des biologischen Organismus nicht Halt machen, sondern bis ins zentrale Nervensystem vorstoßen – zur Behandlung funktionaler Störungen im Gehirn wie Autismus, Demenz oder Alzheimer.
Thomas Stieglitz befasst sich seit den neunziger Jahren mit Forschungen an der Mensch-Maschine-Schnittstelle. Als Elektro-Ingenieur hält er den Lehrstuhl für Biomedizinische Mikrotechnik am Institut für Mikrosystemtechnik, kurz IMTEK, der Universität Freiburg. Er entwickelt dort mit seinem Team Miniatur-Elektroden zur Nervenkontaktierung auf der Haut sowie für neuronale Implantate. In seiner Funktion als Projektleiter im interdisziplinären Exzellenzcluster „Brain Links – Brain Tools“ arbeitet er zudem mit Wissenschaftlern unterschiedlicher Fachrichtungen daran, die Funktion des menschlichen Gehirns zu erforschen und parallel dazu passende Schnittstellen zu entwickeln. Susanne Päch sprach mit dem Experten nicht nur über den Stand der Technik, sondern auch über die Bedeutung, die das Einswerden von Mensch und Technik auf die Gesellschaft haben wird.
Erstausstrahlung: Juli 2014
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