Physik und Biologie wachsen zusammen
Prof. Wolf Singer und die Theoretisierung der belebten Natur
Der Hirnforscher Wolf Singer kommt ursprünglich aus der behavioristischen Schule. Bald hat er erkannt, dass ein einfaches Reiz-Reaktions-Muster bei weitem nicht ausreicht, das komplexe Wirkungsgefüge des Gehirns abzubilden. Geblieben ist ihm allerdings der grundlegende Wunsch jedes guten Behavioristen: Er wollte das Verhalten der Lebewesen analytisch durchdringen. Singer gilt heute als Vorreiter der abstrakten Formalisierung der Biologie, die sich derzeit als wichtiger Trend abzeichnet. In einem Gespräch mit HYPERRAUM.TV gibt er weitere Einblicke in dieses Thema.
Link-Empfehlungen der Redaktion zu weiterführenden Informationen:
– mehr zu den Neurowissenschaften im Frankfurt Institute for Advanced Studies FIAS – hier
– zum Singer-Lab im Ernst-Strüngmann-Institut für Neurowissenschaften ESI – hier
– zu unserer Sendung „Wie sich Hirn und Computer unterscheiden“ – hier
Mehr zum Inhalt des Videos:
Die Begriffe „Intuition“ und „Vorstellungsvermögen“ sind in Wolf Singers Sprachgebrauch sehr präsent. Sie sind die Synonyme für die alte, für eine verloren gegangene Welt der Forscher der belebten Natur – so, wie „Mechanik“ und „Maschine“ seit hundert Jahren aus dem Set relevanter Begriffe der Physiker weitgehend verschwunden sind. An ihre Stelle treten Umschreibungen wie hochgradige Vernetzung oder komplexe, nicht-lineare Dynamik. Dass die Biologie erst jetzt, rund hundert Jahre nach der Physik, in die Phase massiver Theoretisierung gerät, erklärt der Kongitionsforscher vor allem damit, dass die Vorgänge in der belebten Natur um ein Vielfaches komplexer seien als in der Physik. Erst jetzt habe die Biologie die erforderliche Grundlage geschaffen, um erarbeitetes Basiswissen für Abstraktion und Modellbildung einsetzen zu können.
Für den Mediziner oder Biologen bringt die Theoretisierung der eigenen Disziplin mit sich, dass der Einzelne wirklich tiefes Verständnis der Vorgänge in lebenden Organismen nur noch in Bezug auf hoch spezialisierte Details erreichen kann. Zur Erfassung des großen Ganzen ist ein kollektiver Mensch-Rechner-Verbund erforderlich, der sämtliches Detailwissen künftig zu einem gänzlich abstrakten Modell der Vorgänge biologischer Systeme gestalten wird. Erforderlich dafür sei auch, so Singer, dass das mathematische Werkzeug für die speziellen Anforderungen der Biologie weiter entwickelt wird.
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Bio, Chemie & Medizin Komplexitäts- & Systemforschung
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